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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 4
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0311
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Studien und Forschungen

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MICHELANGELO: David
Florenz, Akademie
Photogr. Manelli
kennt seine Seele eine außerordentliche Erregung,
noch sein Körper eine ungewöhnliche Bewegung.
Es ist die anticipierte Heiligkeitsstärke und
-Ruhe in diesem Helden zum Ausdruck gekom-
men. Ganz anders der David; er hat ein ge-
wisses Unbewußtsein, dessen was ihm bevor-
steht. Er weiß nur, daß er zu kämpfen haben
wird und daß er alle seine Spannkraft zusammen
nehmen muß, und daß ein Versagen des ersten
sprungartigen Angriffs sein Untergang sein wird.
Diese Psychologie ist die Quelle seines Form-
motivs; sie entstammt seinem eigenen Kämpfer-
bewußtsein als Künstler, einem ganz modernen
Empfinden einer Kunstmission, die wie Michel-
angelo seine Kunst als ein Ringen anschaute,
gegenüber der mehr oder minder handwerklich
empfindenden Gesinnung der vorhergehenden

Künstlergeneration, die es machte so gut sie
es konnte.
Daß aber eine solche psychologische Erfassung
der Kampferwartung bei Michelangelo ausgelöst
wurde, dazu führte ihn gewißlich eine Formidee
und diese wiederum ist ihm von dem Blocke
selber gekommen. Der ungeheuerliche seitliche
Wurf der Komposition wiederspricht dem natür-
lichen statischen Empfinden des Plastikus; auch
Michelangelo hat nie wieder einen ähnlichen
statischen Aufbau gewählt, sondern unter regu-
lärer Verteilung des Gewichtes auf die ganze
Unterstützungsfläche seine Bildhauerwerke kom-
poniert. An dem Blocke aber, den er verhauen
von der Dombauhütte erhielt, muß etwas ge-
wesen sein, was ihn zu einer solchen Seitwärts-
drängung der Komposition zwang. Auf der
rechten Seite oben (vom Beschauer aus) muß
bei der Abbozzierung des Blockes zuviel Material
weggenommen worden sein; das ist das Manko
gewesen, welches alle Künstler entmutigte, dem
Genius aber eine Brücke zu etwas unerhörtem
Neuen baute. Aus der Hemmung, aus dem
Zwange, sich zu fügen, hat seine Erfindungs-
kraft Schwung gewonnen.
Wölfflin nennt den David den abschließenden
Ausdruck der florentinischen Quattrocentokunst.
Ich möchte ihn das erste Werk der Hochrenais-
sance nennen. Das gewagte völlig freie Be-
wegungsmotiv, ermöglicht durch eine neue das
Recht der Künstlerpersönlichkeit bewußt erstre-
bende Kampfgesinnung und ein Hineintraqen
dieser erwartungsvollen Kräftesteigerung in das
Kunstwerk selber, sind erst in der neuen Zeit
der Hochrenaissance denkbar. Michelangelo
selber hat sie heraufgeführt, mit diesem Werk
aber macht er zu ihr den ersten Schritt.
^
DER STIL PETER MARTINS VON
□ MAILAND □
Von Wilhelm Rolfs.
Peter Martin von Mailand war unter Alfons
von Aragon mit Isaias von Pisa, Paul Romano,
Dominik Gajini und Franz Laurana an dem von
dem letzteren entworfenen Neapler Triumph-
bogen beschäftigt. Wie lange die genannte
Künstlerschar auch nach dem (im Jahre 1458 er-
folgten) Tode Alfons' in Neapel zusammenblieb,
ist nicht mehr festzustellen. Jedenfalls war im
Jahre 1461 keiner von ihnen mehr dort, und
Peter Martin finden wir mit Franz Laurana zu-
sammen in Frankreich wieder, wo sie am Hofe
 
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