W. Vöge. Der Meister des Blaubeurer Hochaltars und seine Madonnen 15
Berlin selbst die des Kindes); ein plattes Grübchen, gerade groß genug, daß eines Kindes
kleiner Finger darauf ruhen kann, bezeichnet das Kinn; Grübchen die volle, weiche
Hand der Frau. Mit des Messers Schärfe ist der innere Rand der Ohrmuschel heraus-
gehoben; wozu etwa die Seitenansicht des Berliner Kindes (Abb. 7) zu vergleichen
wäre, das von vorn gesehen, im Ausdruck, dem leicht Verträumten, dem kindlichen
Zug um den aufgesperrten Mund,
an den zierlicheren Knaben auf der
Anbetung der Könige so auffallend
erinnert.
Die Flügelreliefs des Altars, diese
Anbetung, gegenüber auf dem linken
Flügel die Anbetung des Kindes —
mit possierlichen singenden Engeln —
sind sichtlich von dem Meister1), der
die großen, goldstrahlenden Statuen
des Schreines schuf2), herausleuchtend
aus ihrer Mitte in Gold und mildem
Weiß"), die Madonna von Blaubeuren;
überflattert von der reizendsten Engel-
gruppe — ein rauschendes Bild (Abb. 6
und 11).
Die Engel und einige der Heiligen
richten den Blick nach unten, mit
jenem sinnenden Zug, der diesem
Meister eigen ist, übrigens Abschat-
tungen hat, mehr Feuer (bei dem
Täufer) oder mehr Phlegma (bei dem
Evangelisten). Die Madonna aber legt
das Haupt zurück, so daß der Blick
ins Weite geht, mit leicht auseinander-
strahlenden Augensternen. Und so
das Kind; es denkt an Segnen nicht,
hält, leicht träumerisch, wie die Mutter,
Abb. 5. Madonna. Detail □
Augsburg, Maximiliansmuseum
die Frucht in der Hand. Die Erfindung ist hier minder altargerecht, als bei der
Berliner Statue; ein freierer Zug ist in der Blaubeurer Gruppe, ein schwungvollerer; sie
nimmt uns empor, irdisch und hoheitsvoll in einem.
In leicht gerundeten langen Linienzügen streben die Falten des Mantels den
9 Gehilfenhände zugestanden.
2) Links der Madonna stehen Johannes d. T. u. der hl. Benedikt, rechts Johannes d. E.
u. Scholastica.
3) Die zutage liegende weiße Grundierung der Vergoldung; bei der von Hofrat Baur
geleiteten, kürzlich beendigten Reinigung der Altar Skulpturen ist verständiger Weise von einer
Neuvergoldung Abstand genommen worden.
Berlin selbst die des Kindes); ein plattes Grübchen, gerade groß genug, daß eines Kindes
kleiner Finger darauf ruhen kann, bezeichnet das Kinn; Grübchen die volle, weiche
Hand der Frau. Mit des Messers Schärfe ist der innere Rand der Ohrmuschel heraus-
gehoben; wozu etwa die Seitenansicht des Berliner Kindes (Abb. 7) zu vergleichen
wäre, das von vorn gesehen, im Ausdruck, dem leicht Verträumten, dem kindlichen
Zug um den aufgesperrten Mund,
an den zierlicheren Knaben auf der
Anbetung der Könige so auffallend
erinnert.
Die Flügelreliefs des Altars, diese
Anbetung, gegenüber auf dem linken
Flügel die Anbetung des Kindes —
mit possierlichen singenden Engeln —
sind sichtlich von dem Meister1), der
die großen, goldstrahlenden Statuen
des Schreines schuf2), herausleuchtend
aus ihrer Mitte in Gold und mildem
Weiß"), die Madonna von Blaubeuren;
überflattert von der reizendsten Engel-
gruppe — ein rauschendes Bild (Abb. 6
und 11).
Die Engel und einige der Heiligen
richten den Blick nach unten, mit
jenem sinnenden Zug, der diesem
Meister eigen ist, übrigens Abschat-
tungen hat, mehr Feuer (bei dem
Täufer) oder mehr Phlegma (bei dem
Evangelisten). Die Madonna aber legt
das Haupt zurück, so daß der Blick
ins Weite geht, mit leicht auseinander-
strahlenden Augensternen. Und so
das Kind; es denkt an Segnen nicht,
hält, leicht träumerisch, wie die Mutter,
Abb. 5. Madonna. Detail □
Augsburg, Maximiliansmuseum
die Frucht in der Hand. Die Erfindung ist hier minder altargerecht, als bei der
Berliner Statue; ein freierer Zug ist in der Blaubeurer Gruppe, ein schwungvollerer; sie
nimmt uns empor, irdisch und hoheitsvoll in einem.
In leicht gerundeten langen Linienzügen streben die Falten des Mantels den
9 Gehilfenhände zugestanden.
2) Links der Madonna stehen Johannes d. T. u. der hl. Benedikt, rechts Johannes d. E.
u. Scholastica.
3) Die zutage liegende weiße Grundierung der Vergoldung; bei der von Hofrat Baur
geleiteten, kürzlich beendigten Reinigung der Altar Skulpturen ist verständiger Weise von einer
Neuvergoldung Abstand genommen worden.