Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909
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W. Vöge. Der Meister des Blaubeurer Hochaltars und seine Madonnen 21
wie am Blaubeurer Altar gearbeitet sein. — Trotz der Ähnlichkeiten ist aber auch
der Gegensatz der beiden Naturen fühlbar. Der Blaubeurer ist die derbere Besaitung.
Von der Madonna seines Hochaltars möchte man glauben, daß sie auch wohl einmal
herzhaft lachen könne; der Junge, mit der angebissenen Frucht in der Hand, ist gewiß
ein Tausendsassa. Riemenschneiders Kinder dagegen leiden an angeborener Wohl-
erzogenheit. Die Männer des Blaubeurers sind selbstbewußter; Riemenschneider ent-
deckte den Charme des Altruistischen. Man kann sagen, daß er in seinen Köpfen der
Spätgotik das ehrlichste Gesicht gegeben habe; sie war aktionslos, hatte keine
dramatische Kraft. Riemenschneiders Männerköpfe sagen das offen; Riemenschneiders
— des Gegendonatello.
wie am Blaubeurer Altar gearbeitet sein. — Trotz der Ähnlichkeiten ist aber auch
der Gegensatz der beiden Naturen fühlbar. Der Blaubeurer ist die derbere Besaitung.
Von der Madonna seines Hochaltars möchte man glauben, daß sie auch wohl einmal
herzhaft lachen könne; der Junge, mit der angebissenen Frucht in der Hand, ist gewiß
ein Tausendsassa. Riemenschneiders Kinder dagegen leiden an angeborener Wohl-
erzogenheit. Die Männer des Blaubeurers sind selbstbewußter; Riemenschneider ent-
deckte den Charme des Altruistischen. Man kann sagen, daß er in seinen Köpfen der
Spätgotik das ehrlichste Gesicht gegeben habe; sie war aktionslos, hatte keine
dramatische Kraft. Riemenschneiders Männerköpfe sagen das offen; Riemenschneiders
— des Gegendonatello.