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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 2. Angebl. Porträt R. VISSCHERS
Stich von P. H. L. v. d. MEULEN
nach einer Zeichn, v. J. STOLKER
Aus einem auf der Rückseite des Bildes befindlichen Zettel geht hervor, daß sich das
Gemälde früher in der Sammlung Matthew Anderson in Jesmond Cottage bei Newcastle
befunden hat; Waagen, der diese Sammlung beschrieben hat1), muß es bei seinem
Besuche übersehen oder aus irgend einem andern Grunde nicht erwähnt haben. Von
der Existenz des Bildes im XVIII. Jahrhundert legt ein anderes Dokument Zeugnis ab.
Als Herr E. W. Moes den Kopf zum ersten Mal sah, war er ihm — schon bekannt,
aber (als freilich nicht unangefochtenes) Bildnis des Amsterdamer Dichter-Kaufmannes
Roemer Visscher, das von J. Stoiker angeblich nach einem Gemälde von Frans Hals
gezeichnet war. Diese Zeichnung kam vor auf der
Versteigerung J. Stoiker in Rotterdam am 27. März
1786 und diente als Vorlage für den hier abge-
bildeten Stich von P. H. L. v. d. Meulen in dem
Buche von Jacobus Scheltema „Anna en Maria
Tesselschade, de Dochters van Roemer Visscher,
Amsterdam 1808" (Abb. 2). Nach der Unterschrift ist
das Originalgemälde von Frans Hals und nach der
Bezeichnung rechts oben unter R. Visschers Wappen
und Altersangabe im Jahre 1618 vollendet worden.
Wäre nun J. Stoiker nicht als „Porträtfälscher" be-
kannt, ja sogar berüchtigt, so könnte diese Zeichnung,
bezw. der nach ihr angefertigte Stich, Anlaß zu Be-
denken geben. So wurde aber schon vor Kenntnis
des Originales jener Stolkerschen Nachzeichnung so-
wohl von E. W. Moes 2) wie von J. F. van Someren")
die Authentizität als Porträt Roemer Visschers so gut
wie abgesprochen. Keinem Zweifel unterliegt es
aber, daß die Stolkersche Zeichnung nur auf unser
Gemälde von Fabritius zurückgehen kann, und da-
mit ist Frans Hals als Maler ausgeschlossen. Daß
der Dargestellte alte Herr Roemer Visscher sei, ist
deshalb unmöglich, weil dieser 1620 gestorben
ist, und Fabritius erst um 1624/1620 geboren wurde. Nun bleibt aber doch noch
ein Punkt zu beachten: das Gemälde zeigt nur den Kopf und ein Stück der
Brust, während Stoikers Zeichnung fast die ganze Figur gibt. Wir fragen uns
also, ob das Original ursprünglich größer war, oder ob das noch vorliegende Bild
von dem Zeichner willkürlich ergänzt wurde. Vielleicht ist letzteres der Fall.
Denn da der Dargestellte nicht R. Visscher sein kann, so hätte z. B. das Blatt mit
der Unterschrift von einem von R. Visschers sogenannten „Sinnepoppen": „Elek
wat wils" gar keinen Sinn (von
postaments ganz zu schweigen).
der Ärmlichkeit des als Tisch dienenden Stein-
Das Wappenschildchen oben rechts ist aus dem
9 Galleries and Cabinets of Art in Great Britain ... London 1857, S. 480 ff.
2) Iconogr. Batava. Nr. 8546, 2.
3) Gegraveerde Portretten van Nederlanders. Amsterdam 1890.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 2. Angebl. Porträt R. VISSCHERS
Stich von P. H. L. v. d. MEULEN
nach einer Zeichn, v. J. STOLKER
Aus einem auf der Rückseite des Bildes befindlichen Zettel geht hervor, daß sich das
Gemälde früher in der Sammlung Matthew Anderson in Jesmond Cottage bei Newcastle
befunden hat; Waagen, der diese Sammlung beschrieben hat1), muß es bei seinem
Besuche übersehen oder aus irgend einem andern Grunde nicht erwähnt haben. Von
der Existenz des Bildes im XVIII. Jahrhundert legt ein anderes Dokument Zeugnis ab.
Als Herr E. W. Moes den Kopf zum ersten Mal sah, war er ihm — schon bekannt,
aber (als freilich nicht unangefochtenes) Bildnis des Amsterdamer Dichter-Kaufmannes
Roemer Visscher, das von J. Stoiker angeblich nach einem Gemälde von Frans Hals
gezeichnet war. Diese Zeichnung kam vor auf der
Versteigerung J. Stoiker in Rotterdam am 27. März
1786 und diente als Vorlage für den hier abge-
bildeten Stich von P. H. L. v. d. Meulen in dem
Buche von Jacobus Scheltema „Anna en Maria
Tesselschade, de Dochters van Roemer Visscher,
Amsterdam 1808" (Abb. 2). Nach der Unterschrift ist
das Originalgemälde von Frans Hals und nach der
Bezeichnung rechts oben unter R. Visschers Wappen
und Altersangabe im Jahre 1618 vollendet worden.
Wäre nun J. Stoiker nicht als „Porträtfälscher" be-
kannt, ja sogar berüchtigt, so könnte diese Zeichnung,
bezw. der nach ihr angefertigte Stich, Anlaß zu Be-
denken geben. So wurde aber schon vor Kenntnis
des Originales jener Stolkerschen Nachzeichnung so-
wohl von E. W. Moes 2) wie von J. F. van Someren")
die Authentizität als Porträt Roemer Visschers so gut
wie abgesprochen. Keinem Zweifel unterliegt es
aber, daß die Stolkersche Zeichnung nur auf unser
Gemälde von Fabritius zurückgehen kann, und da-
mit ist Frans Hals als Maler ausgeschlossen. Daß
der Dargestellte alte Herr Roemer Visscher sei, ist
deshalb unmöglich, weil dieser 1620 gestorben
ist, und Fabritius erst um 1624/1620 geboren wurde. Nun bleibt aber doch noch
ein Punkt zu beachten: das Gemälde zeigt nur den Kopf und ein Stück der
Brust, während Stoikers Zeichnung fast die ganze Figur gibt. Wir fragen uns
also, ob das Original ursprünglich größer war, oder ob das noch vorliegende Bild
von dem Zeichner willkürlich ergänzt wurde. Vielleicht ist letzteres der Fall.
Denn da der Dargestellte nicht R. Visscher sein kann, so hätte z. B. das Blatt mit
der Unterschrift von einem von R. Visschers sogenannten „Sinnepoppen": „Elek
wat wils" gar keinen Sinn (von
postaments ganz zu schweigen).
der Ärmlichkeit des als Tisch dienenden Stein-
Das Wappenschildchen oben rechts ist aus dem
9 Galleries and Cabinets of Art in Great Britain ... London 1857, S. 480 ff.
2) Iconogr. Batava. Nr. 8546, 2.
3) Gegraveerde Portretten van Nederlanders. Amsterdam 1890.