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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Das holländische Kirchenstück des XVII. Jahrhunderts
Von Hans Jantzen
Was uns gewöhnlich als Gesamtbild von der Blütezeit holländischer Malerei
des XVIL Jahrhunderts gegeben wird, enthält stets irgendwie den Hinweis auf die
Verschiedenart der Darstellungsinhalte, deren Reichtum und Besonderheit der Aus-
bildung keine andere Malerei in gleichem Maße vorher und gleichzeitig gekannt hatte.
Dabei ist die Anteilnahme, die man der holländischen Malerei schenkt, den einzelnen
Bildgattungen — in gewissen Grenzen — ziemlich gleichmäßig zugewandt. Bis auf
eine Ausnahme. Man findet wohl das Historienbild, Allegorische Darstellung, Porträt,
Schützenstück, Gesellschaftsstück, Genre, das Marinebild, die Landschaft und das Still-
leben genannt, aber selten das Architekturbild. Wenn es auch keineswegs ganz an
Literatur fehlt — Woltmann und Wörmann haben in ihrer Geschichte der Malerei die
hauptsächlichsten Architekturmaler aufgenommen, ferner gibt es ein paar kleinere
Aufsätze von Bode ^ und Hofstede de Groot 2), und kürzlich ist Gustav Glück in
seiner Publikation der Sammlung Alexander Tritsch näher auf das holländische Architektur-
bild eingegangen — allein diese wenigen Äußerungen sind mehr gelegentlich der
Behandlung bestimmter Bilder oder Bildergruppen entstanden. Im Ganzen haben
weder die einzelnen Künstler noch das Architekturbild als Bildgattung einen Platz in
der holländischen Kunstgeschichte erhalten. Es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert,
daß etwa in einem Buche wie Bodes „Rembrandt und seine Zeitgenossen" die ver-
schiedensten Arten holländischer Bilder aufgeführt werden, aber kein Architekturbild.
Und geradezu auffallend ist, wenn bei einem Thema, wie es Professor Martin
gelegentlich seiner (auch in diesen Heften veröffentlichten) Antrittsvorlesung aufgestellt
hat: „Über den Geschmack des holländischen Publikums im XVII. Jahrhundert mit
Bezug auf die damalige Malerei" das Architekturbild völlig außer Acht gelassen wird,
obwohl sonst wiederum alle übrigen Bildgattungen angeführt sind.") Gerade für dies
Thema, meine ich, bedeutet es eine empfindliche Lücke, wenn das Architekturstück
nicht herangezogen wird. Hier wäre es unbedingt wichtig, zu wissen, daß die
Holländer neben ihren Landschaften, neben ihren Gruppenporträts auch jene Dar-
stellungen von Kirchen besaßen, wie kein anderes Land sie aufzuweisen hatte.
Der Grund weshalb das Architekturbild für eine Charakteristik der Erscheinungen
holländischer Barockmalerei bisher so vernachlässigt wurde, liegt keineswegs darin,
daß die Künstler jener Darstellungen etwa schlechter gemalt haben als die Landschafter
oder die Maler der Seestücke, der Stilleben oder der Genreszenen. Es sind Namen
unter ihnen wie Gerard Houckgeest und Emanuel de Witte, den man getrost neben

') Bode, Studien zur Geschichte der holländischen Malerei 1884, S. 214 ff, wo das Werk
des Dirk van Delen zusammengestellt ist. Vgl. auch Graphische Künste XIII, 1890, S. 89 über die
Architekturbilder der Schweriner Galerie.

2) Einleitung zu Utrechtsche Kerken, Teekeningen en Schilderyen van Pieter Saenredam
met Tekst van Dr. C. Hofstede de Groot. 1899.

3) Monatshefte für Kunstwissenschaft 1908, Heft 9.
 
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