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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

Rokotow, dessen Lebenslauf und Werdegang noch wenig geklärt sind. Seine kräf-
tigen, silbrig-grauen Porträts der Fürstin Orlow (Nr. 127. Bes. Fürstin Obolenski),
obwohl quasi eine Kopie nach Lewizki1), doch von großer Selbständigkeit, und der
Fürstin Gagarin (Nr. 117, Abb. Bes. J. S. Gagarin) bewiesen aufs neue seine große
Bedeutung. — Wenezianow erschien im Porträt des jungen Bibikow (Nr. 152. Bes.
N. W. Bibikow) noch ganz als Schüler Borowikowskis, die Heuernte (Nr. 164. Bes. W.
B. Chwoschtschinski) dagegen bekundet schon den Bahnbrecher des russischen Genres.
Einen bisher unbekannten Schüler Wenezianows lernte man durch die bezeichneten,
schlicht und lebendig gemalten Soldaten in der Regimentsschneiderei von Denissow
kennen (Nr. 147. Bes. B. N. Ryshow, Faks. d. Sig. St. G S. 742). Von der Wandlungs-
fähigkeit der Sprache Orest Kiprenskis konnte man sich durch zwei Porträts über-
zeugen lassen, ohne daß man das Proteische seiner Natur so weit zu steigern brauchte,
sie beide für Selbstporträts zu halten, wie der Katalog tat und wogegen Sergei Ma-
kowski (St. G. S. 741) sehr berechtigte Zweifel erhebt, (Nr. 136. Bes. S. S. Botkin;
160. Bes. N. A. Loviton, Abb. St. G. 1908 bei S. 400). Der ungleichmäßige Tropinin
war durch einen malenden Knaben (Nr. 133. Bes. E. G. Schwartz) sehr vorteilhaft ver-
treten. Sehr kräftig, temperamentvoll und farbig frisch erschien ein berittener Baschkir
von Orlowski, den man von dieser Seite nicht zu kennen pflegt (Nr. 129. Bes. W.
S. Chudekow). In Sylvester Schtschedrins Bildern dokumentierte sich die russische
romantische Landschaftskunst; es waren weniger die in Ton und Licht warmen An-
sichten der Engelsburg und der Petersburger Börse (Nr. 163. Bes. S. K. Makowski.
156. Bes. A. E. Meißner), als die anspruchslose italienische Fischerbarke (Nr. 161. Bes.
Fürst W. N. Argutinski-Dolgorukow), die den Geist des paysage intime atmend, die
Aufmerksamkeit auf sich zog. Karl Brüllow war unbedeutend und unzureichend ver-
treten, dagegen erwies sich Pawel Fedotow, der der sozialsatirischen Zuspitzung seiner
Bilderthemen seinen Ruhm hauptsächlich verdankt, wieder als wirklicher Maler in zwei
intim aufgefaßten Frauenporträts (Nr. 153, 154. Bes. N. P. Werner). Daß das un-
gewöhnliche malerische Ingenium Alexander Iwanows an dem unfruchtbaren pro-
grammatischen Grübeln über sein Lebenswerk, die „Erscheinung Christi", zu Grunde ging,
wurde auch durch die Ausstellung in schmerzlicher Weise belegt. Nicht nur übertraf
der eine von den zahllosen Entwürfen jene öde Maschine im Rumjanzowmuseum in
Moskau um ein bedeutendes (Nr. 141. Bes. M. P. Botkin)2), sondern dieses war erst
recht bei den Einzelstudien der Fall, deren Endzweck doch immer jenes unglückselige
Monumentalstück blieb. Sie offenbarten die Größe von Iwanows malerischem Können,
sei es als Landschafter in der Campagnastudie (Nr. 143. Bes. Alexander Benois) oder
als Aktmaler, wie in den badenden Knaben (Nr. 144, Abb. Bes. M. P. Botkin) und
in dem fast pleinairistisch anmutenden Rückenakt eines etwa elfjährigen Mädchens")
von farbiger Raffiniertheit, bei größter Einfachheit der Haltung (Nr. 144, Abb., Bes.
W. B. Chwoschtschinski).
9 Vgl. Baron N. Wrangell, Staryje Gody, 1909, Jan. S. 31.
-) Abb. Les Tresors d'art en Russie. 1902. Tafel 17.
q Woher der Katalog und S. Makowski (St. G. S. 742) es trotz der Haartracht für einen
Knaben halten, bleibt mir unklar.
 
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