220 Monatshefte für Kunstwissenschaft
rechten Arm und der linke Ärmel. Die linke
Hand stützt sich auf den Turm, der die Ge-
stalt der Legende nach als St. Barbara charak-
terisiert.
Das Gesicht ist von breitem Eirund mit
kleiner Nase, fein geschnittenem, lächelndem
Munde. Auch die Augen sind klein nach unten
blickend. Die Wangenflächen sind sehr breit
und hochgewölbt, ein Charakteristikum schlesi-
scher Kunst. Sie werden von leicht gelocktem
Haar umrahmt, das die hohe Stirn, die stark
gewölbt ist, freiläßt. Auf dem Haupte trägt die
Heilige die Märtyrerkrone. Die Ruhe in der
Haltung, im Faltenwurf gibt der Gestalt ihren
besonderen Reiz. Sie macht sie zur schönsten
der schlesischen Plastik jener Tage. Bei beiden
anderen Heiligen verdecken die reichen Schüssel-
falten der Gewandung die Körperformen, auch
hat die Haltung das spiralförmig Gedrehte spät-
gotischer Figuren.
Aber auch bei ihnen verrät der feine Ge-
sichtsausdruck, das leichte leonardeske Heiligen-
lächeln, die Hand des gleichen Meisters.
Wenn man das Werk bewundert, stößt so-
fort die Frage auf, wer war der Meister, sind
andere Schöpfungen von ihm vorhanden?
Die erste Frage ist leider nicht zu beant-
worten, zur zweiten folgendes: A. Schultz
nennt neben der heiligen Barbara als bedeu-
tendere Leistungen schlesischer Kunst die Figu-
ren vom ehemaligen Odertor zu Glogau
(1505—1506 entstanden). Diese Gestalten stellen
St. Barbara } Maria mit dem Kinde und St. Nico-
9 Nach einem Nachwort von A. Schultz soll nicht
St. Barbara sondern S. Catharina die Gestalt am Odertor
in Glogau sein. Abgebildet als Taf. II. in A. Schultz:
Schlesiens Kunstleben. Das alte Odertor in der Zeitschrift
„Schlesien" Jahrg. I. von Prof. R. Knötel.
laus dar. Nur das nackte Kinderkörperchen ist
überraschend schön in Formensprache und Hal-
tung. Das Gesicht der h. Barbara verträgt nicht
den Vergleich mit unserem Werk und auch die
Gewandung ist willkürlicher, spielerischer in
ihrem Gefält.
Nahe verwandt unserer Figur ist hingegen
die Maria mit dem Kind am Westportal von
St. Maria-Magdalena, neben dem h. Christoph
von 1506. Leider habe ich wegen der Höhe,
in der sich die Figur befindet, vergeblich ver-
sucht Jahreszahl und Steinmetzzeichen zu ent-
decken. Das Kind ist arg zerstört, Maria aber
auf Halbmond und Wolken stehend, gleicht in
Haltung und Gesichtsausdruck unserer Barbara,
auch die Krone ist gleich. Die Falten des Man-
tels sind allerdings bewegter und lassen nicht
den Körper erkennen. Der gleichen Werkstatt,
von schwächerer Hand, gehört die Maria mit
Kind auf Mond und Wolken stehend (an der
Westecke der Sakristei von St. Maria-Magda-
lena) an. Sie hat der Maler Jacob Beinhard
1499 gestiftet.
Leider ist die photographische Aufnahme
beider Figuren infolge ihres hohen Platzes nicht
möglich gewesen.
Möge das Bild der St. Barbara den Wunsch
nach Abbildung anderer Werke schlesischer
Kunst wachrufen. An St. Elisabeth, St. Maria
Magdalena befinden sich eine große Reihe von
Werken heimischer Kunst, zumeist datiert, an
deren Hand sich Geschichte und Werdegang der
Plastik dieser Gegend leicht studieren ließe.
Vielleicht ist die Zeit nicht ferne, wo man
Breslau, Schlesien und ihre Kunst entdeckt.
Robert Corwegh.
Diesem Hefte liegen Prospekte der Firmen JOSEPH BAER & CO., Frankfurt und
LOESCHER & CO., Rom bei, auf die wir hiermit besonders aufmerksam machen.
Verantwortlich für die Redaktion: Dr. HERMANN UHDE-BERNAYS, Leipzig, Liebigstraße 2.
Verlag von KLINKHARDT & BIERMANN, Leipzig.
rechten Arm und der linke Ärmel. Die linke
Hand stützt sich auf den Turm, der die Ge-
stalt der Legende nach als St. Barbara charak-
terisiert.
Das Gesicht ist von breitem Eirund mit
kleiner Nase, fein geschnittenem, lächelndem
Munde. Auch die Augen sind klein nach unten
blickend. Die Wangenflächen sind sehr breit
und hochgewölbt, ein Charakteristikum schlesi-
scher Kunst. Sie werden von leicht gelocktem
Haar umrahmt, das die hohe Stirn, die stark
gewölbt ist, freiläßt. Auf dem Haupte trägt die
Heilige die Märtyrerkrone. Die Ruhe in der
Haltung, im Faltenwurf gibt der Gestalt ihren
besonderen Reiz. Sie macht sie zur schönsten
der schlesischen Plastik jener Tage. Bei beiden
anderen Heiligen verdecken die reichen Schüssel-
falten der Gewandung die Körperformen, auch
hat die Haltung das spiralförmig Gedrehte spät-
gotischer Figuren.
Aber auch bei ihnen verrät der feine Ge-
sichtsausdruck, das leichte leonardeske Heiligen-
lächeln, die Hand des gleichen Meisters.
Wenn man das Werk bewundert, stößt so-
fort die Frage auf, wer war der Meister, sind
andere Schöpfungen von ihm vorhanden?
Die erste Frage ist leider nicht zu beant-
worten, zur zweiten folgendes: A. Schultz
nennt neben der heiligen Barbara als bedeu-
tendere Leistungen schlesischer Kunst die Figu-
ren vom ehemaligen Odertor zu Glogau
(1505—1506 entstanden). Diese Gestalten stellen
St. Barbara } Maria mit dem Kinde und St. Nico-
9 Nach einem Nachwort von A. Schultz soll nicht
St. Barbara sondern S. Catharina die Gestalt am Odertor
in Glogau sein. Abgebildet als Taf. II. in A. Schultz:
Schlesiens Kunstleben. Das alte Odertor in der Zeitschrift
„Schlesien" Jahrg. I. von Prof. R. Knötel.
laus dar. Nur das nackte Kinderkörperchen ist
überraschend schön in Formensprache und Hal-
tung. Das Gesicht der h. Barbara verträgt nicht
den Vergleich mit unserem Werk und auch die
Gewandung ist willkürlicher, spielerischer in
ihrem Gefält.
Nahe verwandt unserer Figur ist hingegen
die Maria mit dem Kind am Westportal von
St. Maria-Magdalena, neben dem h. Christoph
von 1506. Leider habe ich wegen der Höhe,
in der sich die Figur befindet, vergeblich ver-
sucht Jahreszahl und Steinmetzzeichen zu ent-
decken. Das Kind ist arg zerstört, Maria aber
auf Halbmond und Wolken stehend, gleicht in
Haltung und Gesichtsausdruck unserer Barbara,
auch die Krone ist gleich. Die Falten des Man-
tels sind allerdings bewegter und lassen nicht
den Körper erkennen. Der gleichen Werkstatt,
von schwächerer Hand, gehört die Maria mit
Kind auf Mond und Wolken stehend (an der
Westecke der Sakristei von St. Maria-Magda-
lena) an. Sie hat der Maler Jacob Beinhard
1499 gestiftet.
Leider ist die photographische Aufnahme
beider Figuren infolge ihres hohen Platzes nicht
möglich gewesen.
Möge das Bild der St. Barbara den Wunsch
nach Abbildung anderer Werke schlesischer
Kunst wachrufen. An St. Elisabeth, St. Maria
Magdalena befinden sich eine große Reihe von
Werken heimischer Kunst, zumeist datiert, an
deren Hand sich Geschichte und Werdegang der
Plastik dieser Gegend leicht studieren ließe.
Vielleicht ist die Zeit nicht ferne, wo man
Breslau, Schlesien und ihre Kunst entdeckt.
Robert Corwegh.
Diesem Hefte liegen Prospekte der Firmen JOSEPH BAER & CO., Frankfurt und
LOESCHER & CO., Rom bei, auf die wir hiermit besonders aufmerksam machen.
Verantwortlich für die Redaktion: Dr. HERMANN UHDE-BERNAYS, Leipzig, Liebigstraße 2.
Verlag von KLINKHARDT & BIERMANN, Leipzig.