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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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G. Keyßner. Hans von Marees

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Arbeiten, der Triptychen, noch günstiger und wirkungsvoller gewesen sein soll, als in
München. Einen ganz einzigartigen, tiefen Eindruck mußte aber jeder auch in den
Räumen der Münchner Sezession empfangen. Eines Künstlers Erdenwallen spielte sich
hier, wie in einer autobiographischen Dichtung, in seinen eigenen Werken vor uns ab,
von den ersten Lehrjahren, mit ihrem redlichen, unbekümmert fröhlichen Bemühen, zu
dem Stadium, da sicher erworbenes, reiches Können sich einer Vollendung nähert, die
hundert andern als Ziel und Gipfel genügt hätte, während für Marees nun erst ein
neues Erkennen, ein neues Suchen und Ringen beginnt; über diese zweite Lern- und
Werdezeit zu einer kurzen Episode glücklichen raschen Schaffens, im schönsten Gleich-
gewicht der Kräfte und Ideale, und dann die letzten anderthalb Jahrzehnte dieses
kurzen Lebens mit ihrer unermüdlichen Arbeit, die immer weniger sich selbst genug
tun kann, weil die Außenwelt ihr die Bedingungen des vollen Sichauswirkens versagt
und die nach innen gedrängte Glut allmählich das Mark der schöpferischen Kraft auf-
zehren muß.
Wie Marees Entwicklungsgang bis zu den Neapler Fresken, der glücklichsten,
blühendsten Schöpfung seines Lebens aufzufassen, wie die biographische und allgemeine
Bedeutung der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Werke abzuschätzen sei, darüber
wird bei allen, die den Maler überhaupt für eine ernst zu nehmende, große Persön-
lichkeit ansehen, Übereinstimmung herrschen.
Die Gabe eines klaren, scharfen Blicks und bildmäßigen Sehens verrät sich schon
in den frühen Jugendarbeiten, die im übrigen auf wirkliche Eigenart keinen Anspruch
machen können. Zum selbständigen Künster reift er rasch in München heran; die dort
entstandenen Porträts und Bilder wie die „Rast der Diana" und die „Pferdeschwemme"
sind Zeugnisse dieser ersten Reifeperiode. Erst beim Vergleich mit den späteren
Arbeiten lassen sie erkennen, daß sie noch mit einer gewissen Naivetät gemalt sind,
daß Marees noch nicht das feste Kunstprinzip gefunden hatte, in dessen Dienst erst
ihm sein und alles Kunstschaffen organisch und gesetzmäßig wurde.
In Italien, während seines ersten dortigen Aufenthalts (1864—1870), ging ihm
dies Prinzip nach und nach auf, wachgerufen durch die Macht der Eindrücke, die aus
Kunst und Natur auf ihn eindrangen. „Von großen Dingen soll man schweigen oder
groß reden": ihn trieb es, all dem Großen, das ihn umgab, mit der Sprache großer
Kunst, aber in seinem eigenen Idiom, zu antworten. Langsam, sozusagen Silbe für
Silbe, in mühsamem Ringen bildete er sich diese Sprache.
Was er so gefunden und was er von Früherem aufgegeben, kann man sich
vielleicht am klarsten anschaulich machen, wenn man die „Rast der Diana" von 1863
und die „Abendliche Waldszene" von 1870 nebeneinander betrachtet und zwischen
diese Endstücke ein paar Mittelglieder der Reihe hält. Das Entscheidende ist die Art,
wie die beiden Grundelemente, mit denen alle nicht rein lineare Flächenkunst ihre
Wirkungen hervorruft — wie Hell und Dunkel über die Bildfläche verteilt werden.
In der „Rast der Diana" sind die Flecken der hellen, leuchtenden Farben über die
Massen der dunklen, glühenden, mit leichter, spielender Bewegung hingestreut wie
Juwelen oder bunte Blumen über eine tieffarbige Samtdecke. Die „abendliche Wald-
szene" zeigt Hell und Dunkel in großen geschlossenen Flächen gegeneinandergesetzt,
 
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