II. Jahrg. Heft 9 1909
Die Bildnisse des Piero Carnesecchi
Von Emil Schaeffer
I.
Ein grauer Januartag im Vatikan. Durch hohe Gänge eilen verängsteten An-
gesichtes die Kleriker in den Saal vor dem päpstlichen Gemache, wo sie mit aufgeregter
Ungeduld der Arzte harren. Es stehe schlecht, sagen die, sehr schlecht um den siebenten
Clemens. Als er den heiligen drei Königen zu Ehren die Messe celebrierte, habe ihm
die feuchte Kirchenkühle ein hitziges Fieber gebracht und wenn die Lungen davon
ergriffen würden, so .... ein Achselzucken vollendet den Satz ... Flüsternd drängen
sich die Cardinäle um das Bett des leidenden Völkerhirten, und während die ihm
Nächsten mühsam ihre Tränen zurückhalten, sinnen andere schon über den Namen
jenes Glücklichen, auf dessen Haupte binnen kurzer Frist die dreifache Krone schimmern
sollte. Auch das Denken des Kranken ging ähnliche Pfade und härtere Pein als das
Fieber schuf ihm die Vorstellung, daß nach seinem Tode keiner vom Geschlechte des
Magnifico dem heiligen Kollegium angehören, im nächsten Conclave kein Cardinal
de' Medici sitzen würde. Das aber sollte nicht sein! Darum ließ der Papst seinen
Neffen Ippolito nach Rom entbieten und drückte auf das widerstrebende Haupt des
Jünglings, der von den Küssen der schönen Giulia Gonzaga und dem Titel eines
Herzogs von Florenz träumte, das Barett eines Cardinals der römischen Kirche.
Clemens gesundete wieder; Ippolito jedoch, der „närrische Teufel" '), wie seine Heiligkeit
ihren Liebling nannte, durfte das verhaßte Purpurgewand nicht mehr abstreifen.
Ungefähr fünfundzwanzig Jahre später hat Giorgio Vasari in einem Deckenfresco
der „sala di Clemente VII." des Palazzo della Signoria zu Florenz diese ungewöhn-
liche Creierung eines Cardinals geschildert und in den „Ragionamenti", jenen endlosen
Dialogen zwischen „messer Giorgio e Principe", die das gemalte Ruhmes-Epos der
Familie Medici erläutern, die Scene auch mit hinreichender Ausführlichkeit beschrieben.
Seinem Gebieter, dem Herzog Cosimo, dem er die Höflinge nennen will, die damals
um den Papst waren, sind all' diese Männer aber wohlbekannt, sofort erinnert er sich
vor den Bildnissen ihrer Namen, und fordert nur über das Porträt eines Jünglings
Auskunft, der, kaum dem Knabenalter entwachsen, sich freilich sonderbar genug in
9 S. Pastor, Geschichte der Päpste. Freiburg i. Br. 1907. Bd. IV. 2. Teil, p. 543.
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