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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

Geäste tummeln, aufweisen. Den Fußpunkt jeder Zone bezeichnen zwei Reihen auf-
rechtstehender Blätter, hintereinander angeordnet. Das Kapitell ist komposit; über
dem Korb, dessen Blattschmuck sehr vergröbert ist, liegt das Volutenpolster, und auf
diesem der Abakus; auf der Miniatur sind aber die Ecken desselben stärker ausge-
bogen, als bei der Marmorsäule, und die Mitte bezeichnet eine Rosette. — Die acht
Säulen in St. Peter stimmen ungefähr in den Maßen und genau in der Gliederung mit
der berühmten Säule der Pietäkapelle zusammen, an welcher Christus gegeißelt worden
sein soll. Wie auch das Säulenpaar der Sakramentskapelle sind sie als Spolien eines
antiken Baues zu betrachten, und galten als Teile des salomonischen Tempels. Was
lag näher für Fouquet, als diese hochverehrten Überreste zu kopieren? Ihm ist Raffael,
im XVII. Jahrhundert Bernini gefolgt, als er über der Confessio seinen ehernen Koloß
errichtete.
Wenn diese Tatsache allein noch nicht genügen würde, um einen Aufenthalt
Fouquets in Rom zu beweisen, so führt Durrieu1) als zweites Zeugnis eine Stelle in
Filaretes Traktat an, welche lautet: „II quäle (Fouquet) fece a Roma papa Eugenio
e due altri de' suoi appresso di lui, ehe veramente parevano vivi proprio. I quali di-
pinse insü uno panno collocato nella sagrestia della Minerva. Io dico cosi perche a
mio tempo gli dipinse." Diese Notiz ergibt zugleich das Datum für den Aufenthalt
Fouquets: zwischen 1433 und 1447.
Das zweite literarische Zeugnis ist ein Brief des Francesco Florio2), worin er
sich von Fouquets Kunst so begeistert zeigt, daß er ihn über die antiken Künstler stellt,
und um nicht beim Adressaten den Verdacht leerer Lobrednerei zu erwecken, weist er
auf dasselbe Porträt Papst Eugens IV. in Sta. Maria Minerva hin.
Um eine genaue Kopie des Innern von St. Peter kann es sich aber bei der Miniatur
selbstredend nicht handeln, sie zeigt vielmehr eine höchst eigenartige Mischung franzö-
sischer Kunst mit römischen Eindrücken. Die Kathedralen der Heimat gaben ihm das Vor-
bild für den Altar mit Retabulum, für den auf Säulen erhobenen Reliquienschrein dahinter,
der das Retabulum überragt, ferner für die durch Draperien verbundenen Säulen mit den
Engelstatuen.") Vorbilder, von denen er nicht abweichen mochte. In Rom sah er fast
in jeder Kirche Chorschranken vor dem Konfessionsaltar; diejenigen auf der Miniatur
zeigen in der Dekoration Verwandtschaft mit denen von S. Clemente. Auch die Che-
rubim könnte er vielleicht römischen Eindrücken verdanken. „Aus der Säulenhalle stieg
man in die Konfession hinunter. Hier waren neben und auf silbernen, nachher goldenen
Schranken, silberne und goldene Leuchter, silberne Säulen und Bögen mit den kost-
barsten Behängen und goldenen Cherubim von Hadrian I. und Leo III. mit steigen-
der Pracht aufgestellt".4) Was dem Nordländer aber das Interessanteste schien, waren

9 op. cit. p. 85.

2) Durrieu, op. cit. p. 83 und Note 4.

") Vergl. Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonne de l'architecture franpaise II, p. 26, 29,
30, 42, 46.

9 Beschreibung der Stadt Rom von Platner, Bunsen, Gerhard und Röstell II, 1, p. 88.
Leider ist die Schilderung unklar und entbehrt des Quellennachweises. Allerdings bleibt zweifel-
haft, ob F. im XV. Jahrhundert diese Cherubim noch gesehen hat. Vorbilder konnte er auch in
der Heimat finden.
 
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