Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1909/0439

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
E. Firmenidi-Richartz. Ist die Kölner Wicken-Madonna eine Fälschung? 431

Abbildung 5. Den spitzdetaillierenden Pinsel vertritt diesmal die Feder, die mit
winzigen gehäuften Strichen punktierend Hell- und Dunkelwerte angibt.
Den von der normalen Beschaffenheit alter Temperamalereien abweichenden
Zustand „der Madonna mit der Wicke" oder verwandter Tafelbilder in England hat
früher schon Waagen1) und Ernst Berger 2) beachtet und eine Erklärung aus der von
der gewöhnlichen Tafelmalerei abweichenden Tedinik versucht, ohne aber die Echtheit
dieser Gemälde irgend in Frage zu stellen.
Diese Maßnahmen der alten Meister bei der Bereitung der Farben und ihr
Malverfahren im besonderen sind durchaus nicht so einheitlich durch Werkstattbrauch
geregelt und so durchsichtig in ihrer Anwendung, daß sich hieraus umfassende Schlüsse
ableiten lassen. Wir wissen, daß einzelne Meister in fortgesetzten Versuchen ihre
Farbentechnik vervollkommneten und ihre Rezepte sorgsam als Geheimnisse hüteten ").
Das Studium der Rißbildung alter Gemälde ist von unleugbarem Werte und
liefert meist die sichersten Kriterien zu deren Bestimmung sowie zur Umgrenzung von
Übermalungen. Negative Folgerungen sind aber auch hier gefährlich; man kann nicht
einzig auf Grund einer ungewöhnlichen Rißbildung Schöpfungen als unecht abweisen,
deren historische Bedeutung sich aus ihren künstlerischen Qualitäten und der stilkritischen
Analyse ganz deutlich ergibt. Mit einem Hinweis auf das Ausbleiben der normalen
Craquelage und mit einem bedenklichen Kopfschütteln über die Entwicklung tiefer
gewundener Furchen oder jener vielteilig gebrochenen Kruste läßt sich schließlich sogar
die Originalität des Genter Altares, der Madonna Rolin Jan van Eycks und der Veronika
des Meisters von Flemalle anfechten.
Wer bis zum Gehalt und Wesen eines Kunstwerkes vordringt, für den bedarf
es keiner Rechtfertigung „der Madonna mit der Wicke". Die vereinigten Gemälde
beantworten selbst die an sie gerichtete Frage. Ein heller reiner Klang geht von den
Kompositionen und Gestaltungen aus und diese innere Ausgeglichenheit bleibt uner-
reichbar für eine Arbeit, die abgeleitete Formen und entlehnte Motive aufreiht und
deren Endzweck nur die Täuschung ist.
9 Waagen kennzeichnet ein altkölnisches Flügelaltärchen der Sammlung Beresford Hope:
„das feinste und ausgezeichnetste Spezimen einer Miniatur in Tempera auf Holz, welches ich
bisher von altdeutscher Kunst dieser Periode gesehen habe"... „Die Ausführung ist überaus
weich, die bräunlichen Töne im Weiß deuten auf den Gebrauch von Ambrafirnis." (Treasures IV,
London 1857, pag. 190.)
2) Ernst Berger: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik III, S. 210. „Dabei
ist zu bemerken, daß Bilder auch in gemischter Tedinik d. h. teils in Gummitempera teils in Öl-
farben gemalt wurden, was sich in deren ungleichen Erhaltung ausspricht. Das Fleisch der
Wilhelmsdien Madonna ist ungemein hell und klar, dagegen zeigt die blaue Draperie um den
Kopf Sprünge und Krusten; noch auffallender ist dies an dem bräunlich-roten Gewand zu sehen,
welches sich im Laufe der Zeit sehr geändert haben muß; ursprünglich wird die Farbe viel satter
und leuchtender gewesen sein, so daß ich nicht anstehe zu erklären, dieser Teil des Bildes sei
mit dem Farbstoff Folium (Tournesol, Purpur der Miniaturmaler [Theophil, c. XL]) gemalt. Die
Sprünge im Gewand und besonders in der Blume sprechen deutlich für die Verwendung des
Bernsteinfirnisses (Vernition)".
3) Vergl. Charles Lock Eastlake: Materials for a history of oil painting. London 2 vol.
1847 und 1869.
 
Annotationen