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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

Arte abgebildet ist (XII, 308 f.), der muß die künstlerische Überlegenheit der ersteren
anerkennen. Das wäre aber noch kein vollgültiger Beweis, daß Melozzo sie gemalt
haben müsse, wenn jene andre von Antoniasso herrührt. Die Leistungen des letzteren
sind sehr ungleich unter sich, da er eigentlich als Unternehmer an der Spitze einer
Werkstatt steht und sehr verschiedene Gehilfen beschäftigt, wie es hernach Pinturicchio
in den Gemächern des päpstlichen Palastes, wie in den Kapellen römischer Kirchen
getan. Er arbeitet sogar selbst in früheren Jahren kontraktlich als Genosse neben
Melozzo d. h. gewiß unter der Oberleitung dieses „Pictor Papae", wie z. B. in den
Sälen der Bibliothek unter Sixtus IV., im Erdgeschoß des alten Palastes. Aber' auch dieser
Sebastian in der Galleria Nazionale, der aus S. M. della Pace stammen soll, steht den
Jünglings- und Engelsgestalten des Forlivesen unzweifelhaft näher als der umbrische
Gabriel im Pantheon. Hier ist die Schulterbreite, die Fülle des muskulösen Halses,
der runde Kopf mit großem vollem Oval, und der wallende Lockenschmuck, der vom
Scheitel in der Mitte über Ohren und Nacken herunterwallt. Hier ist auch der runde
Schnitt der Augenhöhlen, die geradabsteigende Nase, die geschwellten Lippen, das
festgefügte Kinn. Und dennoch liegt in den Augen etwas Blödes, in den Nasenflügeln
etwas leblos Starres, wie im Schnitt des Körperumrisses, z. B. an den gefesselten
Oberarmen, in dem Einziehen der Taille in Nabelhöhe, in der Schmalheit der Ober-
schenkel, besonders über dem Knie links, etwas Hölzernes, Dürftiges, das bei Melozzos
eigenhändigen Arbeiten in der Zeit römischer Meisterschaft befremden würde. Ähnlich
aber steht es mit den beiden Stifterfiguren, die unten in Profil ganz symmetrisch ein-
ander gegenüber knieen, mit den Kappen auf den gefalteten Händen — wie lang-
weilig! Würde Melozzo damals noch sie in kleinerem Maßstab zu geben sich herbei-
gelassen haben? — befangen in mittelalterlicher Devotion war er gewiß nicht. Und gerade
die Ähnlichkeit mit der knieenden Figur des Bartolommeo Platina vor Sixtus IV. im
Fresko der Bibliothek, aber in verkleinertem Maßstabe, ist kein Beweis für die Autor-
schaft Melozzos selber, sondern spricht gerade für den unselbständigen Nachahmer, der
das Vorbild im Vatikan selbst entstehen sah: Antonazzo Romano. Nun aber kommt
noch ein dritter Faktor hinzu: die Landschaft und ihr Himmel. Das ist beides ganz
westumbrisch, mit den konventionellen Hügeln links und rechts ä la Perugino und
Pinturicchio oder Fiorenzo, das weite Flußtal in der Mitte, und das mager, büschel-
artig belaubte Frühlingsbäumchen links, ja sogar mit den oben gekräuselten unten gerad-
linigen Wolkenstreifen, durchweg wie die ganze stumpfe Temperamalerei dieser Teile
westumbrisch! Das kann aus dem Atelier Antoniassos erst in einer spätern Phase
seiner Wirksamkeit als Unternehmer hervorgegangen sein, und damit datieren wir alles
an der Pinselarbeit, die Fertigstellung des Bildes in Farben, auf eine Zeit nach dem
Weggang Melozzos aus Rom, der einige Zeit vor dem Tode des Papstes (f 1484)
zugleich mit dem Abzug des Nepoten Girolamo Riario in seine Herrschaft Forli, erfolgte.
In dieser Erkenntnis der westumbrischen Technik des Bildes liegt vielleicht auch die
Erklärung des Sachverhalts, wenn wir andrerseits den Widerspruch zu der in vielen
Stücken so vortrefflichen und Antonazzo überlegenen Gestalt des Heiligen selber berück-
sichtigen. Gerade wenn das Bild aus S. M. della Pace stammt, dem Kirchlein das
Sixtus IV. zu Ehren des Friedens mit Neapel gestiftet, aber nicht mehr vollendet hat,
 
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