A. Schmarsow. Melozzo-Entdeckungen in Rom
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kommen wir auf die gleiche Periode des Übergangs aus dem Pontifikat Sixtus IV. zu
dem Innocenz VIII. Schon die Marmorumrahmung des Kruzifixes, die James von
Schmidt auf ihren richtigen Autor zurückgeführt hat, ist nicht mehr unter dem Rovere,
sondern erst unter dem Cibo vollendet. Da wird es mit Altären, die andre Stifter
außer dem Papst selber übernahmen, nicht anders gegangen sein. Die Bestellung des
Sebastianbildes mag beim Beginn des Neubaues an den Maler des Papstes Sixtus,
Melozzo da Forli, gekommen sein, vielleicht schon nicht ohne Abfindung mit dem römischen
Lokalmeister Antonazzo. Als aber der Forlivese mit dem Herrn seiner Vaterstadt,
Girolamo Riario, davonging und nach dem Tode des Papstes nicht wieder nach Rom
zurückkam, da wird die Fertigstellung des Bildes, das Melozzo mit der Hauptfigur
angefangen hatte, dem städtischen Lieferanten zugefallen sein, der einen westumbrischen
Gehilfen in der Art des Fiorenzo di Lorenzo mit der Ausführung der Malerei betraute,
während er selbst vielleicht das Wichtigste für die Besteller, die Bildnisse der beiden,
zu zeichnen übernahm. So wenigstens würde sich die innere Ungleichmäßigkeit des
Ganzen und die besondere Verquickung dreier Beiträge: Hauptfigur, Bildnisse und Land-
schaft, mit der sich die ganze zutage liegende Pinselarbeit verbindet, zwanglos und natürlich
genug erklären, ja sogar die Datierung der Malerei als solcher, die sich dem kritischen Blick
notwendig ergibt: nach Melozzos Aufenthalt in Rom, wenn auch unmittelbar darnach,
wo unter Innocenz VIII. die Bevorzugung der Westumbrer, des Perugino in erster Linie
beginnt und dann des Pinturicchio weiter. Mir scheint daraufhin ließe sich eine Ver-
ständigung zwischen den einander widersprechenden Ansichten erzielen. Gegen den
Versuch aber dem Bilde der Galleria Nazionale in Rom den Namen „Melozzo da
Forli" allein zu belassen, muß ich Einspruch erheben; denn seine Art von Tafelmalerei
ist seit dem Aufenthalt in Urbino und der Gemeinschaft mit Justus von Gent eine ganz
andre. Würde es sich um ein Frühwerk handeln, so läge die Sache anders; aber
dazu würde wieder die Zeichnung des hl. Sebastian nicht stimmen. Daß man sich
darüber selbst in Rom nicht klar ist, hat m. E. eine ganz törichte Entdeckung des
Cicerone verschuldet, die in einem solchen Handbuch aller Romfahrer unglaubliche
Verwirrung stiften mußte. Ich weiß nicht, von wem die Angabe, resp. das vermeintliche
Kennerurteil herrührt, die Wandmalerei in dem Grabmal des Diego Coca in S. M. sopra
Minerva sei ein Werk des Melozzo. Genug, Bode hat sie drucken lassen und durch
soundsoviel Auflagen wiederholt, während doch jeder, der mit der umbrischen Malerei
in den siebziger und achtziger Jahren wirklich vertraut ist, hier vielmehr eine Vorstufe
zu Signorelli und einen Verwandten des Bartolommeo della Gatta erkennt, aber niemals
den Forlivesen, für den der Zuschnitt der Figuren, die Hagerkeit des Weltrichters und
seiner Posaunenbläser, die nichtssagende Schwäche des Porträtkopfes am Rande ganz
unmöglich erscheinen zu jener Zeit, wo das Grabmal des Bischofs von Calahorra
entstanden sein kann. Doch das sind alte Sünden; sie rächen sich indes an der
Generation, die mit solchen Irrtümern aufwächst.
Minder verhängnisvoll ist der Mißgriff von Antonio Munoz mit dem Bildnis in
der Galerie von Faenza. Gerade in den Jahren, als ich mit Melozzo-Studien beschäftigt
war, bin ich auch häufiger nach Faenza gekommen, um die Gemälde des Marco
Palmezzano zu vergleichen. Damals habe ich das Porträt des sog. Roverella bei jedem
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kommen wir auf die gleiche Periode des Übergangs aus dem Pontifikat Sixtus IV. zu
dem Innocenz VIII. Schon die Marmorumrahmung des Kruzifixes, die James von
Schmidt auf ihren richtigen Autor zurückgeführt hat, ist nicht mehr unter dem Rovere,
sondern erst unter dem Cibo vollendet. Da wird es mit Altären, die andre Stifter
außer dem Papst selber übernahmen, nicht anders gegangen sein. Die Bestellung des
Sebastianbildes mag beim Beginn des Neubaues an den Maler des Papstes Sixtus,
Melozzo da Forli, gekommen sein, vielleicht schon nicht ohne Abfindung mit dem römischen
Lokalmeister Antonazzo. Als aber der Forlivese mit dem Herrn seiner Vaterstadt,
Girolamo Riario, davonging und nach dem Tode des Papstes nicht wieder nach Rom
zurückkam, da wird die Fertigstellung des Bildes, das Melozzo mit der Hauptfigur
angefangen hatte, dem städtischen Lieferanten zugefallen sein, der einen westumbrischen
Gehilfen in der Art des Fiorenzo di Lorenzo mit der Ausführung der Malerei betraute,
während er selbst vielleicht das Wichtigste für die Besteller, die Bildnisse der beiden,
zu zeichnen übernahm. So wenigstens würde sich die innere Ungleichmäßigkeit des
Ganzen und die besondere Verquickung dreier Beiträge: Hauptfigur, Bildnisse und Land-
schaft, mit der sich die ganze zutage liegende Pinselarbeit verbindet, zwanglos und natürlich
genug erklären, ja sogar die Datierung der Malerei als solcher, die sich dem kritischen Blick
notwendig ergibt: nach Melozzos Aufenthalt in Rom, wenn auch unmittelbar darnach,
wo unter Innocenz VIII. die Bevorzugung der Westumbrer, des Perugino in erster Linie
beginnt und dann des Pinturicchio weiter. Mir scheint daraufhin ließe sich eine Ver-
ständigung zwischen den einander widersprechenden Ansichten erzielen. Gegen den
Versuch aber dem Bilde der Galleria Nazionale in Rom den Namen „Melozzo da
Forli" allein zu belassen, muß ich Einspruch erheben; denn seine Art von Tafelmalerei
ist seit dem Aufenthalt in Urbino und der Gemeinschaft mit Justus von Gent eine ganz
andre. Würde es sich um ein Frühwerk handeln, so läge die Sache anders; aber
dazu würde wieder die Zeichnung des hl. Sebastian nicht stimmen. Daß man sich
darüber selbst in Rom nicht klar ist, hat m. E. eine ganz törichte Entdeckung des
Cicerone verschuldet, die in einem solchen Handbuch aller Romfahrer unglaubliche
Verwirrung stiften mußte. Ich weiß nicht, von wem die Angabe, resp. das vermeintliche
Kennerurteil herrührt, die Wandmalerei in dem Grabmal des Diego Coca in S. M. sopra
Minerva sei ein Werk des Melozzo. Genug, Bode hat sie drucken lassen und durch
soundsoviel Auflagen wiederholt, während doch jeder, der mit der umbrischen Malerei
in den siebziger und achtziger Jahren wirklich vertraut ist, hier vielmehr eine Vorstufe
zu Signorelli und einen Verwandten des Bartolommeo della Gatta erkennt, aber niemals
den Forlivesen, für den der Zuschnitt der Figuren, die Hagerkeit des Weltrichters und
seiner Posaunenbläser, die nichtssagende Schwäche des Porträtkopfes am Rande ganz
unmöglich erscheinen zu jener Zeit, wo das Grabmal des Bischofs von Calahorra
entstanden sein kann. Doch das sind alte Sünden; sie rächen sich indes an der
Generation, die mit solchen Irrtümern aufwächst.
Minder verhängnisvoll ist der Mißgriff von Antonio Munoz mit dem Bildnis in
der Galerie von Faenza. Gerade in den Jahren, als ich mit Melozzo-Studien beschäftigt
war, bin ich auch häufiger nach Faenza gekommen, um die Gemälde des Marco
Palmezzano zu vergleichen. Damals habe ich das Porträt des sog. Roverella bei jedem