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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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„Die Bedeutung Kölns für den Metallschnitt
des XV. Jahrhunderts"

In meiner Studie „Ist die Kölner Wicken-
Madonna eine Fälschung" (Monatshefte für
Kunstwissenschaft II, 9, S. 428) wies ich auf Ana-
logien hin, welche die Darstellung an den Außen-
seiten des vielbesprochenen Triptychons mit
einem Schrotblatt „Die Verspottung Jesu" (Samml.
W. L. Schreiber, Nr. 56) verbinden. Schon die
häufige Verwendung der Metallschnitte zum
Buchschmuck Kölner Drucke zeugt dafür, daß
diese Vervielfältigungsart dort besonders ge-
pflegt wurde.
In seiner Untersuchung „Die Bedeutung
Kölns für den Metallschnitt des XV.Jahr-
hunderts" (Studien zur deutschen Kunstgesch.,
Heft 114, Straßburg 1909) hat nun Wilhelm
Molsdorf die Beweisgründe zusammengestellt,
die bei einer Gruppe vorzüglicher Schrotblätter
für die Kölner Provenienz sprechen. Er beruft
sich zunächst auf das Kölner Wappen an der
Brunnenmauer auf dem Blatt „Christus und die
Samariterin" (Wilh. Schmidt Nr. 33), einem in
den Darstellungsmitteln schon reif entwickelten
Metallschnitt. Er weist dann auf die eng-
gehäuften Stadtbilder im Hintergrund einiger Dar-
stellungen hin, bei denen Kölner Bauten kennt-
lich werden. Weiter zieht der Verfasser Über-
einstimmungen im dekorativen Beiwerk wie der
technischen Durchbildung heran, um die Zu-
sammengehörigkeit dieser Arbeiten darzutun.
Auf ein keineswegs unwichtiges Hilfsmittel
zur Bestimmung des Ursprunges einzelner dieser
Blätter soll hier noch kurz hingewiesen werden —
auf die wiederholte Anlehnung an Kölner Tafel-
bilder in einzelnen Motiven, Figurenverbindungen
oder der gesamten Komposition.
Bei der Darstellung der Kreuzigung (Bouchot
Nr. 24) ist die Gruppe der Trauernden dem
Gemälde desselben Gegenstandes von dem führen-

den Hauptmeister um 1410 (bei Amtsgerichtsrat
Clemens in Aachen, Aldenhoven Tafel 26) im
Gegensinn entnommen, ebenso auch die Figur
eines Schächers am Kreuze. Die Art der An-
reihung von Szenen zur Vorführung des ge-
samten Verlaufs der Passion, die Ausstaffierung
der Kriegsknedite mit römischen und orien-
talischen Rüstungen und Kleidungsstücken ist in
Köln besonders beliebt und findet sich ganz
übereinstimmend auf niederrheinischen Gemälden.
Unmittelbar überzeugt der Zusammenhang
der Darstellung „die Verkündigung des Erzengels
Gabriel" (Originalplatte Paris, Victor Gays,
Bouchot Nr. 57, Schreiber 2865) mit Stephan
Lochners monumentaler Fassung dieser Szene.
Der enge Anschluß gerade bei einem so oft
dargestellten Vorgang wirkt beweiskräftig für
den Ursprung des Metallschnittes. Er kann ge-
radezu als Reproduktion der Außenflügel des
„Dombildes" im Gegensinn gelten. Nur deko-
rative Einzelheiten z. B. die Haltung der Flügel
des Erzengels, sein Spruchband, der Nimbus der
Madonna sind verändert; hinzugefügt wurde
die ausführliche Schilderung des Gemaches d.h.
die enggedrängte Aufreihung aller Bestandteile
eines Interieurs zur Belebung des Grundes. Mit
solchem Beiwerk kontrastiert die Bedeutsamkeit
und immanente Größe der beiden Figuren.
Durch diesen unmittelbaren Zusammenhang
werden jene Metallschnitte augenfälliger und
überzeugender noch lokalisiert wie durch sonstige
Anhaltspunkte. Weder jene figurenreiche weit-
ausholende Schilderung noch die großgedachten
prägnanten Gestalten sind Erfindungen des Form-
schneiders. Sie stammen von berühmten Mal-
werken und bewahrten in abgeleiteter Form
verblaßte Spuren ihres ursprünglichen Stiles.
E. Firmenich-Richartz.
 
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