MEISTER PAOLO DA GUALDO
Mit sechs Abbildungen auf drei Tafeln •. Von ANTONIO MUROZ
Die Lokalforscher der Kunstgeschichte haben sich in der letzten Zeit mit be-
sonderer Hingabe den Studien der Trecento- und Quattrocentoskulptur ge-
widmet. Und natürlich haben sie nicht versäumt, die Persönlichkeit eines Meisters
zu beleuchten, der durch künstlerischen Wert die andern überragte und von dem
wir eine gewisse Anzahl, darunter sogar zwei von ihm selbst firmierte Werke besitzen.
Es handelt sich um Maestro Paolo, der auf das Grabmal des Bartolomeo Carafa,
des Großmeisters vom Jerusalemsorden in S. Maria del Priorato (f 1405) und das
des Cardinals Stefaneschi in Santa Maria in Trastevere von 14171), selbst seinen
Namen gesetzt hat. Ein drittes Grabmal, das des Nicola und Francesco dell' Anguillara
in der Kirche S. Francesco in Capranica di Sutri (a. 1408), schrieb zuerst der
Cicerone und dann einmütig alle Gelehrten mit Recht aus stilistischen Gründen
dem Maestro Paolo zu.
Von Anfang an wurde dieser unbekannte Maestro Paolo, der sich einfach
MAGISTER PAVLVS FECIT (Mon. Carafa) und MAGISTER PAVLVS FECIT
HOC OPVS (Mon. Stefaneschi) nannte, mit dem anderen Bildhauer Paolo di Mariano
di Tuccio Taccone da Sezze, mit dem Beinamen Paolo Romano verwechselt, der
in Rom von 1451 bis ungefähr 1470 arbeitete und, wie bekannt ist, die Statuen
des Paulus und Petrus für die Teppe von S. Peter schuf, die jetzt die Sakristei
schmücken, und ferner den S. Paolo von der Engelsbrücke, das Tabernakel des
heiligen Andreas und andere Werke2). Bertolotti hat zuerst festgestellt, daß dieser
Paulus, der ungefähr 1470 starb, nicht mit dem anderen identifiziert werden darf,
der schon 1405 arbeitete; Müntz dachte an einen gewissen Paoluzzo, über den wir
Nachrichten von 1423 bis 1470 haben, aber auch dieser ist aus chronologischen
Gründen auszuschließen. Ferner darf Magister Paulus nicht identifiziert werden
mit Paulus de Senis, dem Schöpfer der Büste Benedikts XII. in den vatikanischen
Grotten, die er schon 1341 arbeitete. Ganz unglaubhaft erscheint auch die Identi-
fikation mit einem Paulus Salvati, Sohn des Magister Salvatellus 3), ein Ergebnis
recht fragwürdiger Forschungen, die man schon gewertet hat, wie sie es verdienten4).
Wir wissen nicht, aus welchem Grunde man in unserem Magister Paulus einen
Römer sehen wollte, da er nie mit diesem Beiwort zeichnet; und, um ihn von
Paolo di Mariano (der ebenso wenig Römer ist) zu unterscheiden, hat man ihm
schließlich sogar den Titel „der Erste" gegeben, während Paolo II. der andere war.
Diese Art zu numerien könnte in Anbetracht der fragwürdigen oben erwähnten
Forschungen ins endlose gehen. Doch der Meister Paulus der Grabmäler des
Carafa und Stefaneschi war kein Römer.
Auf einer meiner häufigen Wanderungen durch die Provinz von Rom, fiel mir,
als ich in das schöne S. Francesco di Vetralla trat, ein Denkmal auf, das mich
(1) Ohne die alte zahlreiche Bibliographie wiederzugeben, beschränke ich mich darauf, die neuesten
Studien mitzuteilen. L. Ciaccio, L'ultimo periodo della scultura gotica a Roma, in Ausonia. Rom 1907.
Fasc. I, pag. 87. L. Filippini, La scultura del Trecento in Roma, Torino 1908, pag. 160—178.
(2) A. Venturi, Storia dell' arte italiana, VI, pag. 52—59. V. Leonardi, Paolo da Mariano, marmoraro,
nell' Arte 1900. Pag. 89.
(3) Filippini, La scultura a Roma nel Trecento, pag. 162.
(4) G. De Nicola, Falsificazioni di documenti per la storia dell' arte romana. Repertorium für Kunst-
wissenschaft, 1909, pag. 54.
73
Mit sechs Abbildungen auf drei Tafeln •. Von ANTONIO MUROZ
Die Lokalforscher der Kunstgeschichte haben sich in der letzten Zeit mit be-
sonderer Hingabe den Studien der Trecento- und Quattrocentoskulptur ge-
widmet. Und natürlich haben sie nicht versäumt, die Persönlichkeit eines Meisters
zu beleuchten, der durch künstlerischen Wert die andern überragte und von dem
wir eine gewisse Anzahl, darunter sogar zwei von ihm selbst firmierte Werke besitzen.
Es handelt sich um Maestro Paolo, der auf das Grabmal des Bartolomeo Carafa,
des Großmeisters vom Jerusalemsorden in S. Maria del Priorato (f 1405) und das
des Cardinals Stefaneschi in Santa Maria in Trastevere von 14171), selbst seinen
Namen gesetzt hat. Ein drittes Grabmal, das des Nicola und Francesco dell' Anguillara
in der Kirche S. Francesco in Capranica di Sutri (a. 1408), schrieb zuerst der
Cicerone und dann einmütig alle Gelehrten mit Recht aus stilistischen Gründen
dem Maestro Paolo zu.
Von Anfang an wurde dieser unbekannte Maestro Paolo, der sich einfach
MAGISTER PAVLVS FECIT (Mon. Carafa) und MAGISTER PAVLVS FECIT
HOC OPVS (Mon. Stefaneschi) nannte, mit dem anderen Bildhauer Paolo di Mariano
di Tuccio Taccone da Sezze, mit dem Beinamen Paolo Romano verwechselt, der
in Rom von 1451 bis ungefähr 1470 arbeitete und, wie bekannt ist, die Statuen
des Paulus und Petrus für die Teppe von S. Peter schuf, die jetzt die Sakristei
schmücken, und ferner den S. Paolo von der Engelsbrücke, das Tabernakel des
heiligen Andreas und andere Werke2). Bertolotti hat zuerst festgestellt, daß dieser
Paulus, der ungefähr 1470 starb, nicht mit dem anderen identifiziert werden darf,
der schon 1405 arbeitete; Müntz dachte an einen gewissen Paoluzzo, über den wir
Nachrichten von 1423 bis 1470 haben, aber auch dieser ist aus chronologischen
Gründen auszuschließen. Ferner darf Magister Paulus nicht identifiziert werden
mit Paulus de Senis, dem Schöpfer der Büste Benedikts XII. in den vatikanischen
Grotten, die er schon 1341 arbeitete. Ganz unglaubhaft erscheint auch die Identi-
fikation mit einem Paulus Salvati, Sohn des Magister Salvatellus 3), ein Ergebnis
recht fragwürdiger Forschungen, die man schon gewertet hat, wie sie es verdienten4).
Wir wissen nicht, aus welchem Grunde man in unserem Magister Paulus einen
Römer sehen wollte, da er nie mit diesem Beiwort zeichnet; und, um ihn von
Paolo di Mariano (der ebenso wenig Römer ist) zu unterscheiden, hat man ihm
schließlich sogar den Titel „der Erste" gegeben, während Paolo II. der andere war.
Diese Art zu numerien könnte in Anbetracht der fragwürdigen oben erwähnten
Forschungen ins endlose gehen. Doch der Meister Paulus der Grabmäler des
Carafa und Stefaneschi war kein Römer.
Auf einer meiner häufigen Wanderungen durch die Provinz von Rom, fiel mir,
als ich in das schöne S. Francesco di Vetralla trat, ein Denkmal auf, das mich
(1) Ohne die alte zahlreiche Bibliographie wiederzugeben, beschränke ich mich darauf, die neuesten
Studien mitzuteilen. L. Ciaccio, L'ultimo periodo della scultura gotica a Roma, in Ausonia. Rom 1907.
Fasc. I, pag. 87. L. Filippini, La scultura del Trecento in Roma, Torino 1908, pag. 160—178.
(2) A. Venturi, Storia dell' arte italiana, VI, pag. 52—59. V. Leonardi, Paolo da Mariano, marmoraro,
nell' Arte 1900. Pag. 89.
(3) Filippini, La scultura a Roma nel Trecento, pag. 162.
(4) G. De Nicola, Falsificazioni di documenti per la storia dell' arte romana. Repertorium für Kunst-
wissenschaft, 1909, pag. 54.
73