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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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ins Monumentale übersetzt. Bei den Skeletten sind die Analogien noch weit-
gehender: das Stehen derselben ist „wörtlich" übernommen, weiterhin die ge-
kreuzten Arme des ersten, das Laken, Senkung des Kopfes und Armhaltung des
zweiten. Auch das dritte Skelett wird in der Haltung übernommen. Nur verliert
sich all das Zierliche und Graziöse der Pariser Miniatur; es wird plumper, täppischer,
was man vornehmlich in den Köpfen der Skelette erkennt. Alle diese Kongruenzen
können nicht zufälliger Natur sein, und die eine Miniatur hat die Kenntnis der
anderen unbedingt zur Voraussetzung. Es ist anzunehmen, daß dem englischen
Miniator eine französische Vorlage vorgelegen hat1).
Die Hs. 3142 der Arsenalbibliothek wird auch von Vitzthum (p. 55) eingehend
behandelt, allerdings ohne Berücksichtigung der in Frage stehenden Miniatur. Sie
gehört eng zusammen mit Bibl. Nat. fr. 12467, Genf (cod. lat. 6a) und London
(Add. 30072); einer Gruppe von Hss, die von Honores Stil, dem Nürnberger
Breviar und besonders dem Meliacen (Bibl. nat. fr. 1633, zw. 1285—91 entstanden)
stark abhängig sind. V. ist daher geneigt ihre Entstehung bis an das äußerste
Ende des XIII. Jahrhunderts hinabzurücken; — so daß wir für Arundel 83 II
ca. 1280, für Arsenal 3142 ca. 1295 als Entstehungszeit annehmen müßten. Das
ist aber nach unseren Ausführungen nicht angängig, da der englische Miniator die
französische Vorlage gekannt haben muß. Ich wäre daher geneigt für die englische
Handschrift Warners Datierung: Anfang XIV. Jahrhundert, für die Pariser diejenige
Martins: ca. 12852) anzunehmen. Jedenfalls ist die ikonographische Abhängigkeit
von Frankreich beim Arundel-Psalter8) erwiesen.
Denn, daß es nicht angängig ist die umgekehrte Beeinflussung anzunehmen, er-
gibt sich ohne weiteres aus der literargeschichtlichen Entwicklung der Legende,
wie aus der Tatsache, daß die Miniatur des Arundel-Psalters von einer aus Frank-
reich übernommenen Fassung begleitet ist. In Frankreich ist aller Wahrscheinlich-
keit nach die erste Bearbeitung der Legende entstanden: diejenige Baudouins de
Conde (ca. 1240—80). Eben diese illustriert die Miniatur der Arsenalbibliothek.
Überdies existieren noch drei weitere französische Hss., die dem XIII. Jahr-
hundert angehören, und Baudouins Gedicht enthalten: Paris, Bibl. nat. fr. 378,
1446 und 25566. Von diesen enthält fr. 378, f. 1 eine wenig veränderte und ver-
gröberte Replik der Arsenal-Miniatur. Die beiden Rechtecke sind auseinander-
geschoben. Die Gewandung ist ein wenig verändert, sonst kehren die gleichen
charakteristischen Motive auch hier wieder.
Nicht so unmittelbar ist der Zusammenhang mit der Arsenalminiatur in den
Miniaturen von Hs. Bibl. nat. fr. 25566 (fonds La Vall. 81, Roi 2736); sie illustrieren
drei verschiedene Fassungen der Legende, tragen jedoch auch den Zusammenhang
mit unserer Miniatur an der Stirn.
f. 2ogr. E (nsi con la matere conte).

(1) Vitzthum weist (p. 79) bei Besprechung des Gratian (s. o.) auf ein ähnliches Beispiel hin. Ein
englischer Mönch hat hier offenbar ältere provenqalische Ausgaben vor Augen gehabt, deren Einfluß
nicht unterdrückt ist.

(2) Henry Martin. Les peintres de Manuscrits, Paris, 1908, p. 48.

(3) Hier sei eine Zwischenbemerkung gestattet. Betrachtet man z. B. die interessanten Darstellungen

von Arundel 83 f. 124 (Warner III, T. XXIII), mit denen englische Tafelgemälde des Musee Cluny

(Nr. 1664) vergleichbar sind, und erinnert sich der frühen Kölner Bilder (Walraf Richartzmuseum 2/4

und etwa die vier jüngst für das Louvre erworbenen Täfelchen), so versteht man völlig die gründ-

lichen Darlegungen Vitzthums in dem 4. Kapitel seines Buches über die rheinische Malerei zu Anfang

des XIV. Jahrhunderts und ihre Beziehungen zu England.

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