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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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zufüllen pflegten, nicht zum mindesten aus Dinanderies-Geräten, wie sie in ihrer
Heimat, an der Maas, hergestellt wurden. So sehen wir auf der Verkündigung des
Genter Altars in einer in die Wand eingebauten gotischen Nische ein dem moder-
nen Teekessel ähnliches Gefäß über einer Schüssel hängen; das daneben ange-
brachte Handtuch läßt über den Zweck dieser Geräte keinen Zweifel aufkommen
(Abb. i). Es ist die Waschvorrichtung,1) wie sie in ähnlicher Form auch noch auf
vielen anderen Gemälden und Stichen des XV. und XVI. Jahrhunderts erscheint.
So auf dem Merode-Altar des Meisters von Flemalle, auf der Verkündigung des
Justus von Ravensburg in Genua, auf Bouts' Abendmahl in Löwen und auf den
beiden Darstellungen des Todes Mariä von dem gleichnamigen Meister in München
und Köln. Die Form dieser messingnen Lavabo - Kessel, die noch in manchen
Kirchen Belgiens und Westdeutschlands im Gebrauch sind, ist jahrhundertelang die-
selbe geblieben. Manchmal findet sich auch statt des Kessels eine Kanne mit der
dazugehörigen Waschschüssel aus Messing, z. B. auf dem Bilde des Simon Mar-
mion im Kaiser-Friedrich-Museum (Abb. 2). Ein besonders schönes Exemplar mit
Henkel und langem Ausgußrohr sieht man in dem reich ausgestatteten Gemach der
hl. Barbara auf einem anderen Bilde des Meisters von Flemalle im Prado (Abb. 3);
eine einfacher gestaltete Kanne auf der dem Meister des Todes Mariä zugeschrie-
benen Verkündigung2) (Paris, Porges), einem Bilde, das überhaupt wegen der zahl-
reichen, luxuriösen, metallenen Einrichtungsgegenstände hervorzuheben ist. Außer
diesen Waschgefäßen und Schüsseln findet man fast in jedem Gemache Kannen
zur Aufbewahrung des Trinkwassers oder des Weines (Verkündigung des Petrus
Christus im Prado, Abb. 4; neben der Kanne liegen zwei Tellerwärmer, zu denen
Kohlenbecken gehören) meist von der gleichen schlanken Gestalt, wie sie ähnlich
noch heute in verschiedenen Sammlungen aus Messing gegossen zu sehen sind;
der Deckel trägt gewöhnlich einen sitzenden Löwen, während der Griff als Drache,
das Ausgußrohr als Vogel gebildet ist3). Wenn eine solche Kanne, wie z. B. auf
den Bildern Rogers van der Weyden (Verkündigung in der Pinakothek und Maria
mit Kind und Heiligen im Städelschen Museum; Abb. 5 und 6) und Memlings
(Thronende Madonna, Kaiser-Friedrich-Museum), des Meisters von Flemalle (Heil. Bar-
bara), des Meisters des Lebens Mariä (Verkündigung in der Pinakothek) als Blumenvase
für die symbolische Lilie dient, spricht man von „Marienkrüglein", ohne daß aber
deswegen Gold als Material angenommen werden muß, zumal ja häufig auch Majo-
likavasen zu dem gleichen Zwecke benutzt werden.
Besonders zahlreich sind Beleuchtungsgegenstände dargestellt. Namentlicli
der messingne sorgfältig abgedrehte Handleuchter, der aus einem soliden Ringfuß,
einem schlanken Schaft und der Tülle für das Wachslicht besteht, fehlt selten. Er
steht in einer Wandnische in dem Gemache Mariens auf dem Genter Altar sowie
auf der Lucca-Madonna (Frankfurt a. M.; Abb. 7) und der Madonna in Incehall des
Jan van Eyck (Abb. 8) — hier ein selten vorkommendes Exemplar für drei Lichte
— beide Male neben einer mit Wasser gefüllten Messingschüssel; er fehlt auch
nicht auf dem bereits erwähnten Merode-Altar des Meisters von Flemalle und auf
der Verkündigung Memlings bei Fürst Radziwill (Posen, Museum). Auch einarmige
Wandleuchter, die mit gotischem Maßwerk verziert sind, kommen vor, so auf den

(1) Wie oberflächlich solche Dinge oft beobachtet werden, beweist Muther, der meint: „Unter einem
Hausaltärchen hängt eine Weihrauchlampe"! Geschichte der Malerei, Leipzig 1909, Bd. II, S. 11.

(2) Friedländer, „Meisterwerke der niederländischen Malerei". (Ausstellung Brügge) 1903, Tafel 70.

(3) Zwei schöne Exemplare aus dem Victoria- and Albert-Museum, abgebildet bei Tavenor-Perry
„Dinanderie", London 1910, Tafel 36.

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