Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0424

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Guicciardini vergleicht in seiner bekannten Beschreibung der Niederlande (1567)
das Land um Namur mit der feuersprühenden Schmiede Vulkans; überall werde
dort getrieben, geschmiedet, gegossen, gehämmert und geschweißt. Auch die
Menge von Messinggegenständen in den Wohnungen und Kirchen fiel den Aus-
ländern auf. So bemerkt, um nur ein Beispiel zu nennen, ein anderer Italiener, der
in den Jahren 1517/18 die Niederlande bereiste, in seinem Tagebuch: „In allen
Kirchen Flanderns sind baumartige Standleuchter im Chor und gut gearbeitete Lese-
pulte und anderer Schmuck der Altäre und Kapellen aus Messing („de octone"), der
hier reichlich vorhanden ist. Kessel, Töpfe, Pfannen und alle Küchengeräte hat
man aus gleichem Metall."
Die Bezeichnung „Bronze", welche meist auf solche Arbeiten angewandt wird,
und die sich neben noch unbestimmteren Bezeichnungen, wie „Metall" und „Erz",
auch in den Bilderbeschreibungen moderner Galeriekataloge gewöhnlich findet, ist
also ungenau. Was wir auf den Gemälden dargestellt sehen, ist gewöhnlich
Messing. Manchmal freilich muß es zweifelhaft bleiben, ob der Maler nicht etwa
Gold hat darstellen wollen, und die Ähnlichkeit mit dem Messing nur dem Unver-
mögen des Künstlers zuzuschreiben ist, die feinen Nuancen zwischen dem Glanz
des Goldes und des Messings, den man wegen dieser äußeren Ähnlichkeit ja auch
„Golderz" nannte, herauszubringen. In der Regel aber kann die Bestimmung nicht
zweifelhaft sein, da es sich um Gegenstände handelt, wie sie damals in großer
Zahl aus Messing hergestellt wurden, und deren einstige Verbreitung auch durch
literarische Quellen genügend bezeugt ist. Erhalten haben sich freilich nur ver-
einzelte Spezimina aus ganz früher Zeit. Der Wert des Materials, die Zerstörung
des Kircheninventars in den Zeiten der Reformation und der Revolution, der Wandel
des Geschmacks, dies sind die Ursachen, weshalb so wenig auf uns gekommen ist.
Was aber noch vorhanden ist, wie jene stolzen Adlerpulte, gewaltigen Taufbecken,
deren mit Figuren geschmückte Deckel sich oft bis zur Höhe von sechs Metern
erheben, riesige Leuchtergitter, Standleuchter und Kronleuchter aller Art, gravierte
und mit Emaille verzierte Grabtafeln, ganz zu schweigen von all den Geräten des
täglichen Lebens, den Schüsseln, Kannen, Becken der mannigfaltigsten Form, das
alles zeigt eine Größe des Stils und eine Pracht der Ausführung, die einzig dasteht
und zweifellos auch auf die Phantasie der damaligen Künstler einen großen Reiz
ausgeübt hat. Gewisse Formen des Metallschmucks auf niederländischen Gemälden,
die uns als bizarre Übertreibungen erscheinen, werden erst angesichts solcher
Originalwerke verständlich. Andererseits erfährt das glänzende Bild, welches wir
uns schon auf Grund der erhaltenen Arbeiten von den Schöpfungen der Dinandiers
machen müssen, eine wertvolle Ergänzung durch diese Abbildungen auf gleichzei-
tigen Gemälden. Für die Geschichte des Kunstgewerbes ergeben sich hier
wichtige Hinweise für die Bestimmung der ältesten Formen, die Verwendung und
Verbreitung solcher Geräte. Eine Zusammenstellung der wichtigsten derartigen
Darstellungen dürfte daher nicht unwillkommen sein.
Schon bei den Begründern der nordischen Malerei, den Gebrüdern van Eyck,
finden wir diese Vorliebe für das schimmernde Metall so ausgeprägt, daß ein so
guter Kenner wie James Weale von „very Eyckian" Messinggerät spricht1). In der
Tat besteht das stillebenartige Beiwerk, mit welchem die Eycks ihre Interieurs an-
(1) Gelegentlich der Besprechung einer einem Nachfolger des Jan van Eyck zugeschriebenen Darstel-
lung der Maria mit Kind, auf welcher verschiedene Gegenstände aus diesem Metall vorkommen. The
Burlington Magazine, VI. Bd., XI. Heft, April 1909.

410
 
Annotationen