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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 9.1916

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Schubring, Paul: Francesco di Giorgio
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https://doi.org/10.11588/diglit.69938#0101
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Glieder den Einfluß Filippinos, wenn auch manches schon auf den bewegten
Bronzereliefs Francescos vorgebildet ist. In der frühen Anbetung Francescos gab es
geschlossene und beschwerte Figuren in strenger Ponderanz und senkrechter
Ruhe, hier ist alles in bewegter Stellung, mit lebhaften und verschränkten Gesten.
Einen lebendigen Kontrast bilden die nackten Arme zu den flatternden Gewand-
enden. Die große Figur des Joseph erinnert noch an das alte Sitzschema, das wir
so oft antrafen; aber auch hier ist alles ins außerordentliche gesteigert. Man fühlt,
wieviel Francesco im Verkehr mit Männern wie Piero della Francesca, Signorelli,
Filippino und Leonardo erlebt hat! Schade, daß dies das einzige Tafelbild aus der
späteren Zeit ist!
Daß es keinen antiken Triumphbogen in Rom gegeben hat, der die Medaillons mit
Mucius Scaevola und Horatius Coeles trug und der 1490 noch stand, kann ich
nach reichlicher Umfrage bei den Archäologen mit Sicherheit behaupten1); ist also
die Zusammenstellung der beiden heroischen Taten Francescos eigener Gedanke,
so wird man an die beiden Grisailletafeln im Frankfurter Städelschen Institut (aus
der Sammlung Paulig in Sommerfeld) zu denken haben (Abb. 14), die dieselben
Szenen darstellen (beide abgeb. in meinen Cassoni, Kat. Nr. 332, 333, Tafel LXXIX).
Hülsen2) hat nachgewiesen, daß sie nach 1482 entstanden sein müssen; das würde
gut zu Francescos Romaufenthalt 1490 oder gi stimmen. Das Schema des Stadt-
bildnisses der Roma und die eigenartige, sonst bei Truhenbildern nie wieder-
kehrende Technik der Grisaille erinnert an die Stadt- und Lagerbilder im großen
Saale des Sieneser Rathauses. Wir wissen von Francesco, daß er schon in jungen
Jahren (1470) Reliefkarten und derartiges gezeichnet hat; auch von einem Schlacht-
bild (der Sieg bei Poggibonsi) ist 1478 die Rede, das Francesco für den König
von Neapel gemalt habe. Ich habe in den Cassoni die Tafeln als „Florentinisch
um 1480“ bezeichnet; aber ohne rechte Überzeugung. An die zwei Medaillons auf
Francescos Bild in San Domenico in Siena habe ich damals nicht gedacht. Ich glaube
jetzt auch in den Rüstungen viel Sienesisches zu sehen. Die genaue Charakteri-
sierung der römischen Architekturen läßt, wie schon Hülsen meinte, an einen
architektonisch interessierten Maler denken. Hülsen dachte an einen Schüler
Albertis; aber auf Francesco paßt das alles viel besser.
In Neapel erlebt Francesco das Wunderwerk seiner Pulvermine, die den Ein-
gang zum Castello nuovo erzwingt, das die Franzosen besetzt hielten. Er arran-
giert auch ein mächtiges Piedigrottafest mit opulentem Feuerwerk. Sicher ist er
damals mit Giovanni Gioviano Pontano dort zusammengekommen; die Bronzebüste
dieses Humanisten in Genua ist freilich nicht von seiner Hand gegossen worden,
wie ich früher annahm, sondern von Adriano Fiorentino, der auch die Medaille
des Pontanus gemacht hat. Aber ich glaube Francescos Hand in dem Bau des
Oratorio San Giovanni zu erkennen, das sich Pontanus als Grabkapelle errichten
ließ und mit markigen lateinischen Sprüchen außen beschrieb, die von echten
Bürgertugenden in der Sprache des Tacitus reden. Leider gibt es noch keine Photo-
graphien von dem Bau.
(1) Horatius Codes ist mehrfach mit Marcus Curtius zusammen gestellt; z. B. Cassoni Kat. 176 u. 177
(der Paris-Meister), 304 (Botticelli). Codes und Scaevola kommen vereint auf einer geschnitzten
Truhe (Rom um 1570) in Petersburger Privatbesitz vor (Cassoni Kat. No. 852) und auch auf dem be-
kannten Möbel der Uffizien No. 1308, aber im Gefolge vieler anderer Heroen (Aeneas, Antonius,
Hannibal, Achill, Alexander, Scipio, Cäsar) am Carro der Fama.
(2) Di una nuova pianta prospettiva di Roma nel secolo XV in Bullet, della comp. archeolog. comm.
di Roma 1892, Hefti, und 1900, Hefti; derselbe in Brit. and americ. archaeol. soc. of Rome 1911, Febr.

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