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dominierte das Individuelle. Nach Cezanne hat sich die Malerei mehr und mehr
von der äußeren Erscheinung der Natur befreit. Futurismus, Kubismus und
Purismus gelangten zu einer anderen Gestaltung. Gleichwohl, so lange die
Gestaltung sich irgendwelcher »Form« bedient, ist es ausgeschlossen, reine
Verhältnismäßigkeiten zu gestalten. Aus diesem Grunde hat sich »die neue
Gestaltung« von jeder ,,Form“bildung befreit. So ist die Malerei
dazu gekommen, sich durch ein Gestaltungsmittel auszudrücken, das rein male-
risch ist: nämlich durch die reine Farbe, flächenhaft auf der Fläche. Die Ma-
lerei wird eine Kunst, gestaltend »auf die Weise der Kunst«.

Dieser Schritt wurde Möglichkeit und Forderung durch die sich stets ver-
größernde Entfernung des menschlichen Wesens von der Natur. Mit andern
Worten durch das Reiferwerden des Individuums.

So hat die Malerei gezeigt, was »das Abstrakte« in der Kunst ist und daß
es entsteht durch tiefste Verinnerlichung des Äußeren und durch reinen, ein-
deutigen Ausdruck des Inneren. »Die neue Gestaltung« ist mehr mathematisch
als geometrisch. Sie ist »exakt«. Weder in der Musik noch in der Malerei ist
sie Negation der Realität. Sie ist real in ihrer Abstraktion, indem sie vor allem
das Ziel hat, ein Werk eindeutig als Gegenstand zu gestalten.

Die Wortbedeutungen sind im Gebrauch derart abgewandelt, daß man
heute »abstrakt« etwa mit »unbestimmt« »irreal« gleichsetzt, »Verinner-
lichung« mit einer Art traditionellen Seelenglücks. So verstehen die meisten
nicht, daß »das Geistige« sich stärker in irgendeiner modernen Tanzmusik,
als in allen Psalmen zusammen ausdrückt. Auch der Begriff des Wortes »Ge-
staltung« ist durch Betonung individueller Einstellung umgebildet. Er ist ab-
gewandelt im Sinne der »Formbildung«. In tieferem, weiterem Sinne aber be-
deutet Gestaltung nur »das, was ein Werk als gesetzmäßig einheitlichen Gegen-
stand gestaltet« und weiter nichts.

Ein Werk ist abhängig nur vom Willen seines Schöpfers, und es ist nicht
notwendig, daß die Gestaltung sich ausschließlich auf eine konventionelle
Manier der Formenbildung beschränke. »Flächenhaft auf der Fläche zu ge-
 
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