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wird den einen zur Tätigkeit auf ästhetischem Gebiet treiben, den anderen zum
Wissenschaftlichen weisen, den dritten mit etwas anderem beschäftigen, — wie
ein »Fach«, das dann gleichberechtigter Teil des Ganzen ist. Bau-, Bildner-
und Malerkunst, sowie Kunstgewerbe sind dann zur Architektur geworden,
das heißt zu unserer Umgebung, Die minder »materiellen« Künste reali-
sieren sich im »Leben«. Mit der Musik als »Kunst« ist es dann zu Ende, die
Schönheit des Klanges und der Geräusche um uns — geläutert, geregelt, zu
neuer Harmonie gebracht — wird dann befriedigen. Literatur hat dann als
»Kunst« kein Daseinsrecht mehr; sie wird Nutzen-und-Schönheit-ohne-ein -
Mehr (ohne lyrische Einkleidung). Schauspielkunst, Tanzkunst usw. werden mit
der herrschenden Tragik und Harmoniegestaltung verschwinden, das Leben
wird dann selbst harmonisch sein. —

Und doch liegt in diesem Zukunftsbild kein Erstarren des Lebens. Im Gegen-
teil. — Schönheit kann durch Vertiefung nie verlieren. Es wird nur eine andere
Schönheit als die uns bekannte geben, eine schwer zu schildernde und mangelhaft
zu umschreibende Schönheit. Selbst das Kunstwerk der neuen Gestaltung (das
noch mehr oder weniger individuell ist) zeigt diese ihm eigene Schönheit nur
in unvollkommener Verwirklichung. Die Freiheit und Fülle des zukünftigen
Lebens kann es nicht sofort gestalten. Viel umfangreicher als in der Kunst tritt
deroBegriff der neuen Gestaltung in seiner zukünftigen Verwirklichung auf.
Ebenso wie die menschliche Gestalt nur durch ihre Kleidung zu verstraffen ist,
gibt es Einzelheiten, die keine äußerste Vollendung zulassen. Dies zu forcieren
würde zur Erstarrung führen. Schon in der heutigen Architektur verlangt z. B.
ein Eßgeschirr keine ausgesprochen prismatischen Formen, hier ist die ausge-
sprochene, gespannte runde Form das Angepaßte. In der Vollkommenheit und
Kraft der Realität werden solche Einzelheiten von selbst aufgehoben. Solche
Gebrauchsgegenstände sollen uns sowieso nur beim »Gebrauch« umgeben. Bei
aller Einfachheit wird die Zweckmäßigkeit sehr weit getrieben werden. Gerade
aus der materiellen Umerzeugung schreitet die Zweckmäßigkeit von selbst
weiter (Maschinen, Fahrzeuge usw.). Der Mensch wird dann ein freier Mensch
sein. Anstrengung erzeugt Sklaven. Der Mensch wird dann innerlich und äußer-
lich auch von seiner Umwelt frei sein. Das einfachere Innere gegenüber dem
 
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