Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Muche, Georg
Blickpunkt: Sturm, Dada, Bauhaus, Gegenwart — München: Langen-Müller, 1961

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48466#0207
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
richtig funktioniert. So wie damals. Ich telegrafierte: Hundert-
tausend Mark. Und das hat Katarakt überzeugt. Er hat seitdem
zehn Bilder von mir gekauft, und jetzt richte ich für ihn ein
ganzes Appartement ein mit einer großen Sammlung abstrakter
Kunst. Sie kennen doch Kandinsky persönlich? Sagen Sie ihm, er
soll nicht so niedrige Preise machen. Das erschüttert meinen
Markt. Nicht viertausend, vierzigtausend soll er verlangen. Ich
will auch Aquarelle von ihm kaufen für eine Mappe im Riesen-
format und in Saffianleder gebunden, wenn’s überhaupt so über-
dimensionierte Saffianziegen gibt.« Das also hat mir Xaverius
erzählt. Die erste Mappe mit seinen eigenen Aquarellen war
bereits gedruckt, und unter dem Vorwort, das er geschrieben,
stand der sehr schreckliche Schlußsatz: ».. . und hiermit eröffnet
>Das Zwischenreich< das tausendjährige Reich«. Und als Unter-
schrift »Xautama«. Das war offenbar eine Kombination aus dem
Anfangsbuchstaben seines Namens Xaverius und dem Rest von
Gautama, dem er sich über Jahrtausende hinweg verbunden
fühlte.
Das war also am Ende der zwanziger Jahre geschehen, und bald
darauf wanderte Xaverius nach Irgendwo-Nirgendwo aus und
baute für Katarakt ein großartiges Museum, das Natascha ein-
richtete und verwaltete. Es zeichnete sich dadurch aus, daß die
Besucher bequem in Sesseln saßen, während die Wände mit Ge-
mälden sich an ihnen vorbei bewegten mit Betrachtungspausen
von 15 Sekunden von Bild zu Bild. Diese Zeit hatte sich ergeben
aus dem Test der Aufmerksamkeit von tausend Besuchern bei
der Besichtigung von hundert Gemälden. Nach einmaligem
Durchgang wurde die Apparatur für eine halbe Stunde abge-
schaltet, und die Betrachter konnten in ihren Sesseln zu den Bil-
dern fahren.
Xaverius, auf der Hauptstraße seiner Laufbahn angekommen,
erreichte schließlich doch nicht sein Ziel, den ewigen Ruhm. Er
starb in einem Kabriolett, das er mit Leopardenfell hatte polstern
lassen, auf dem Wege von seiner Villa am Meer zu einer Be-
gegnung mit Katarakt und Natascha.
Als auch Katarakt gestorben war, konnte Natascha nicht ver-
hindern, daß ein neuer Galeriedirektor bestellt wurde, der alle
Xaveriusbilder von den Wänden nehmen und in die Kellerräume

187
 
Annotationen