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Müller, Karl Otfried
Archäologische Mittheilungen aus Griechenland (Band 1,1): Athens Antiken-Sammlung — Frankfurt a.M., 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.900#0013
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gewaltigen Mauern gegürtet, mit Warten und starken Burgen bepanzert. Dieser wiederkehrende Ab-
schluss der Stadtgebiete und Landschaften gegen einander bringt den Hauptvortheil für die Entwick-
lung,, in welchem sich die Griechen, verglichen den Asiaten, befanden, die Menge haltbarer, beschränk-
ter und darum in sich freierbelebterSammeipunkte, zur Anschauung. Hier konnten nicht unermessliche
Volksmassen im bienenartigen Drang sich zusammenbauen, die zum Bestände bald einer gewaltsamen
Bindung bedürfen, die dann in Erstarrung oder zerfallende Schwache übergeht. Hier trennten und
verbanden sich massige Haufen in mannigfaltiger Selbständigkeit und wetteifernden Gegensätzen. Und
wie rüstig die Uebung in diesen Gegensätzen, wie gespannt der Trieb der Selbständigkeit, wie nö-
thig den Gesonderten Tapferkeit gewesen sein muss, das sagt die Zahl der Festungen, ihre mühsame
Höhe, die Dicke der Mauern, die Mächtigkeit der Blöcke, die so oft allseitig in einander ein- und
übergreifend ein redender Ausdruck vom fest entschlossenen Verbände und hartnäckigen "Widerstände
sind. Mit saurem Schweiss in jener heissen Luft erklimmt man die steilen Hügel, auf welche diese
Geschlechter noch solche Blöcke schleppten und thürmten, und deren beschwerliche Pfade die Be-
wohner täglich hinauf und hinab wandelten. Noch lässt etwa in einer Hügelbucht die geformte Krüm-
mung, oder was bei ihr sich zudem von Steinbegrenzung erhalten hat, die Rennbahn erkennen, wo
Knaben und Männer zu solcher zweckmässigen Tüchtigkeit, zur Gesundheit und Selbstbehauptung
sich zubereiteten. Und es kann mit solchen Ansichten leicht auch der Blick nach der See auf einen
Hafen mit Resten antiker Dämme sich verbinden, um gleichzeitig das weitere Uebungsfeld der alten
Griechen, die Schule ihres Muthes und ihrer Gewandtheit, der Gefährten-Verbindung untereinander
und weckender Berührung mit Fremden in:s Gedächtniss zu rufen. Wie nahe sind sich überall Gebirg
und Strand, Jagdhöhen und Thaigefild! Es liegt vor Augen, dass innerhalb der Landschaft die natür-
lichen Stände leicht und nothwendig ineinander eingreifen, ihre Erfahrungen und Sinnesarten sich
austauschen und verbinden, die mannichfaltige Brauchbarkeit und Bildbarkeit eines Naturbezirks für
Menschenzwecke sich Allen erklären musste. . Alle in solchem mehrseitigen Zweck-Umgange mit der
Natur und mit einander, Alle durch die unvermeidlichen Verwickelungen mit gleich natürlichen Ab-
sichten und Hoffnungen der Nachbarn stets wach und thätig in Angelegenheiten erhalten, die von
Trieb, Reiz und Leidenschaft aufgedrungen und erhitzt, doch immer zugleich praktisch verständig und
wohlabsebbar waren, mussten sie ein Leben führen, das nicht minder und nicht mehr drang- und that-
reich, als bewusst und begriffen war.

So erkennt man am Bilde der Landschaften mit ihren Resten alter Stadt- und Hafengebiete auch
noch den Plan und Vorzug der inneren Welt der Griechen. Aus dieser im Landesplan angelegten
Sonderung der Anbauer, die doch zugleich Verbindung war und ihre erleichterte und hervorgereizte
Zweckthätigkeit durch Beschränkung bestimmt und überschauiich, durch Gegenseitigkeit scharf und
bewusst machte, erklärt es sich, dass bei den Griechen Sinnlichkeit und Verstand, Phantasie und Wille
— bei Orientalen in wilder Ehe oder tödtender Scheidung begriffen — einander zu einer so anschau-
lichen, wie begrifflichen, so bildlichen, wie praktischen Ideenwelt durchdringen konnten. Allen deut-
liche Gemeinzwecke und Wechselbestimmungen hafteten an den Höhen und Gründen, den Kreuzwe-
gen und Buchten der umgebenden Natur, verwandelten und wiederholten sich mit dem Jahreslauf,
bildeten die Grundlage für gemeinsame-Zustände und Einrichtungen, Entschlüsse und Streitigkeiten.
 
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