Menschliches Interesse ah der Sanskrit-Litteratur. 87
Religionen nennen — nicht von denen, die in späterer Zeit von
einzelnen Propheten oder Reformatoren gestiftet sind.
Aber unter diesen alten Religionen kennen wir selten das,
was denn doch der wichtigste Punkt ist, ihren Ursprung und
ihr allmähliches Werden. Die jüdische Religion steht vor uns
als von Anfang an vollkommen und vollendet, und nur mit
größter Schwierigkeit können wir ihren wirklichen Anfang und
ihre historische Entwickelung entdecken. Und nehmen wir die
griechische und die römische Religion, die Religionen der ger-
manischen, slavischen oder keltischen Stämme, so werden wir
finden, dass ihre Entwickelungsperiode immer lange vorbei ist,
ehe wir sie kennen lernen, und dass von dem Zeitpunkte ab,
wo wir sie kennen lernen, alle ihre Veränderungen rein meta-
morphisch sind, formale Veränderungen eines fertigen Stoffes.
Lassen Sie uns jetzt auf die alten Bewohner Indiens blicken.
Für sie war die Religion zunächst nicht ein Interesse unter
vielen. Es war das alles absorbierende Interesse; es um-
fasste nicht nur den Kultus und das Gebet, sondern auch was
wir Philosophie, Moral, Recht und Politik nennen, — alles
was von der Religion durchdrungen war. Ihr ganzes Dasein war
für sie eine Religion — alles andere war gewissermaßen ein
bloßes Zugeständnis, welches an die ephemeren Bedürfnisse
dieses Lebens gemacht wurde.
Was also können wir aus der alten religiösen Litteratur
Indiens, oder aus dem Veda, lernen?
Es erfordert keine tiefe Kenntnis der griechischen Religion
und der griechischen Sprache, um in den griechischen Gottheiten
die ursprünglichen Umrisse gewisser physikalischer Phänomene
zu entdecken. Jeder Schulknabe weiß, dass in Zeus etwas vom
Himmel steckt, in Poseidon etwas vom Meere, in Hades von
der Unterwelt, inApollon von der Sonne, in Artemis vom
Monde, in Hephaestos vom Feuer. Aber bei alledem ist vom
griechischen Standpunkte aus ein beträchtlicher Unterschied
zwischen Zeus und dem Himmel, zwischen Poseidon und
dem Meere, zwischen Apollon und der Sonne, zwischen Ar-
temis und dem Monde.
Religionen nennen — nicht von denen, die in späterer Zeit von
einzelnen Propheten oder Reformatoren gestiftet sind.
Aber unter diesen alten Religionen kennen wir selten das,
was denn doch der wichtigste Punkt ist, ihren Ursprung und
ihr allmähliches Werden. Die jüdische Religion steht vor uns
als von Anfang an vollkommen und vollendet, und nur mit
größter Schwierigkeit können wir ihren wirklichen Anfang und
ihre historische Entwickelung entdecken. Und nehmen wir die
griechische und die römische Religion, die Religionen der ger-
manischen, slavischen oder keltischen Stämme, so werden wir
finden, dass ihre Entwickelungsperiode immer lange vorbei ist,
ehe wir sie kennen lernen, und dass von dem Zeitpunkte ab,
wo wir sie kennen lernen, alle ihre Veränderungen rein meta-
morphisch sind, formale Veränderungen eines fertigen Stoffes.
Lassen Sie uns jetzt auf die alten Bewohner Indiens blicken.
Für sie war die Religion zunächst nicht ein Interesse unter
vielen. Es war das alles absorbierende Interesse; es um-
fasste nicht nur den Kultus und das Gebet, sondern auch was
wir Philosophie, Moral, Recht und Politik nennen, — alles
was von der Religion durchdrungen war. Ihr ganzes Dasein war
für sie eine Religion — alles andere war gewissermaßen ein
bloßes Zugeständnis, welches an die ephemeren Bedürfnisse
dieses Lebens gemacht wurde.
Was also können wir aus der alten religiösen Litteratur
Indiens, oder aus dem Veda, lernen?
Es erfordert keine tiefe Kenntnis der griechischen Religion
und der griechischen Sprache, um in den griechischen Gottheiten
die ursprünglichen Umrisse gewisser physikalischer Phänomene
zu entdecken. Jeder Schulknabe weiß, dass in Zeus etwas vom
Himmel steckt, in Poseidon etwas vom Meere, in Hades von
der Unterwelt, inApollon von der Sonne, in Artemis vom
Monde, in Hephaestos vom Feuer. Aber bei alledem ist vom
griechischen Standpunkte aus ein beträchtlicher Unterschied
zwischen Zeus und dem Himmel, zwischen Poseidon und
dem Meere, zwischen Apollon und der Sonne, zwischen Ar-
temis und dem Monde.