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Einwände. 99

die alte Weisheit, Eeligion und Philosophie der vedischen Inder
erregt zu haben, hielt ich es viertens für meine Pflicht, fest-
zustellen, dass die vedischen Hymnen, wenn auch in einem ge-
wissen Sinne primitiv, doch nicht im anthropologischen Sinne
dieses Worts primitiv sind, und nicht etwa die Äußerungen von
Wesen enthalten, welche eben ihre Schale zerbrochen haben
und sich nun mit verwunderten Augen zum ersten Male in
dieser merkwürdigen Welt umsehen. Der Veda darf primitiv
genannt werden, weil kein anderes primitiveres schriftliches
Dokument existiert: aber die Sprache, die Mythologie, die Re-
ligion und Philosophie, welche wir darin treffen, eröffnen uns
Fernsichten, die niemand sich unterfangen würde, nach Jahren
zu messen. Ja, sie enthalten neben einfachen, natürlichen,
kindischen Gedanken manche Vorstellungen, welche uns modern,
oder sekundär, oder tertiär klingen, wie ich sie nannte, welche
aber nichtsdestoweniger älter sind, als jedes andere litterarische
Denkmal, und uns zuverlässige Kunde von einer Periode in der
Geschichte des menschlichen Denkens geben, von der wir vor
der Entdeckung der Vedas * ganz und gar nichts wussten.

Aber auch so ist unser Weg noch nicht klar. Andere Ein-
wände sind gegen den Veda als ein historisches Dokument eiv
hoben worden. Einige derselben sind wichtig, und ich habe sie
zu Zeiten selbst geteilt. Andere sind zum mindesten lehrreich
und werden uns eine Gelegenheit geben, die Grundlage zu
prüfen, auf welcher sie stehen.

Der erste Einwand nun gegen unsere Behandlung des Veda
als historisches Dokument liegt darin, dass derselbe nicht wahr-
haft national in seinem Charakter ist und nicht die Gedanken
der ganzen Bevölkerung Indiens vorstellt, sondern nur einer
kleinen Minderzahl, nämlich der Brahmanen, und nicht einmal
der ganzen Brahmanenklasse, sondern nur einer kleinen Minder-
zahl derselben, nämlich der berufsmäßigen Priester.

Einwürfe sollten nicht auf Ansprüche gegründet sein,
welche der Natur der Sache nach unvernünftig sind. Haben
diejenigen, welche behaupten, die vedischen Hymnen stellen
nicht das ganze Indien vor, d. h. die ganze Masse seiner alten
 
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