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Müller-Karpe, Hermann
Zur Stadtwerdung Roms — Heidelberg, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.31765#0051
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vom Quirinal (Taf. 33, 8) unmittelbar neben ein Stiick von Terni 88 stellen; aber
es fällt nicht schwer zu erkennen, daß das Exemplar von Terni dort nicht zum
typischen Formenbestand, sondern zu den Ausnahmen gehört, und daß andere
Beziehungen gerade zwischen der Keramik von Terni und derjenigen vom Forum
und vom Palatin bestehen. Die bisher bekannt gewordenen Funde vom Quirinal
sind bedauerlich gering an Umfang, so daß wir dort vor Überraschungen nicht
sicher sind. Zu den Breitbogenfibeln (Taf. 35, 2-10) und den Cinturoni paßt eine
verzierte Deckschale reinster Villanovaart vom Castro Pretorio (Taf. 35, 28; Beil. 2
Nr. 190), die wohl zu einer echten Villanovaurne gehört hat. Ist damit auch
noch kein ganzer Villanovafriedhof erschlossen, so wird man doch namhafte Ein-
flüsse von dieser Seite sehr wohl für denkbar halten, nachdem in den letzten Jahren
in mittel- und sogar süditalischen Landstrichen Gräber von echtem Villanova-
charakter zum Vorschein gekommen sind, wo man solche nie vermutet hätte. Wie
dies auch immer zu deuten ist: für einen rein sabinischen Charakter der früheisen-
zeitlichen Quirinalbesiedlung spricht das auf alle Fälle nicht.

Im Hinblick darauf, daß in historischer Zeit auf dem Quirinal Kulte gepflegt
wurden, die als sabinisch galten 89 und denen altertümliche Züge eigen waren 90,
kommt dem umfangreichen Votivdepot eine gewisse Bedeutung zu, das 1878 vor der
Kirche S. Maria della Vittoria auf der Quirinalhochfläche (Beilage 2 Nr. 187) entdeckt
wurde 91. Die Votivgegenstände verteilen sich auf eine lange Zeitspanne und be-
zeugen eine Kontinuität des Kultes an dieser Stelle von der Früheisenzeit bis ins
4. Jh. Die früheisenzeitlichen Gefäße lassen sich glücklicherweise näher bestimmen;
es sind Brillenhenkelbecher der Stufen II b und III, die ganz entsprechend auch auf
dem Palatin vorkommen (vgl. Taf. 42 B 3. 4 mit Taf. 40, 5. 16; 42, 4. 7), sowie
ein kleiner Askos (Taf. 42 B 1), zu dem ergänzend unter den Miniaturgefäßen die
Typen des Fußnäpfchens (Taf. 42 B 2) und des Warzennapfes (Taf. 42 B 5) treten.
Die letzteren drei Typen knüpfen an den Formenschatz der frühesten Gräber vom
Forum Romanum und den Albanerbergen an 92. Das läßt erkennen, daß die ältesten
Zeugnisse dieses Quirinalkultes archäologisch demselben Formenkreis angehören
wie solche Funde, die wir als sicher latinisch ansprechen müssen.

Somit ist es nicht möglich, mit den derzeit vorliegenden Fundhinterlassenschaf-
ten in der Frühzeit Roms eine latinische von einer sabinischen Bevölkerung zu
unterscheiden und das Ereignis beziehungsweise den Prozeß der Stadtwerdung auf
eine Vereinigung dieser beiden Bevölkerungselemente zurückzuführen, indem ein
anfänglicher „kultureller Partikularismus“ getrennter Siedlungen nach deren Ver-

88 Ebd. Taf. 42 E 2.

89 Varr. 1. 1. 5, 74.

90 Vgl. Wissowa, Religion u. Kultus der Römer 153ff. Roscher, ML. IV (1909-15)
lOff. s. v. Quirinus (Wissowa). Latte, Röm. Religionsgesch. 113.

91 G. B. de Rossi, BullCom. 6, 1878, 69ff. Pinza, MonAnt. 15, 1905, 510ff. Gjerstad,
ER. III 145 ff.

92 Zum Askos vgl. Müller-Karpe, Vom Anfang Roms Taf. 5, 4. 11, 5. 30, 1. 2; zum
Fußnäpfchen ebd. Taf. 5. 6. 7. 8; zum Warzenbecher ebd. Taf. 3, 10. 6, 9. 10, 1. 12, 3.
 
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