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Müller, Gustav; Schönberger, Hans
Untersuchungen am Kastell Butzbach — Limesforschungen, Band 2: Berlin, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.43271#0159
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der sie stammt, noch nach 150 benützt worden ist
oder als Rarität bis dahin pietätvoll aufgehoben
wurde, ist ganz unwahrscheinlich. Auch das zweite
Gefäß, das in Mittelgallien hergestellt worden ist
(Abb. 16, 5), läßt sich nach den neuesten englischen
Forschungen ziemlich klar auf die Jahre zwischen
100 und 120 datieren2'3. Wenn ich nun die beiden
Scherben zusätzlich als Indiz dafür anführe, daß es
im Bürgkastell schon in hadrianischer Zeit einen mili-
tärischen Stützpunkt gegeben haben kann, so bin ich
mir darüber völlig klar, daß ich damit den Skepti-
ker nicht zu überzeugen vermag. Denn er wird so-
fort Bedenken anmelden. Nicht, weil er in diesem
Fall die Datierung der Scherben in Frage stellt, son-
dern weil sich ihre genaue Herkunft nicht restlos klä-
ren ließ. Ich kann dazu aber nur nochmals sagen, daß
wir eine endgültige Entscheidung darüber künftigen
Grabungen überlassen wollen. Glücklicherweise wird
es für sie noch einige Zeit Möglichkeiten in Milten-
berg-Altstadt, Osterburken und Jagsthausen geben.
Als erstes habe ich jedoch im Herbst 1961 die Gra-
bungen im Bürgkastell von Öhringen fortgesetzt, die
FI. Zürn mit überraschenden Ergebnissen im Früh-
jahr 1959 begonnen hatte.
Zürn gelang dort bei einer Notgrabung an der
nördlichen Umwehrung derNachweis, daß die Mauer
des bekannten Steinkastells273 274 einmal verbreitert wor-
den war und anfangs zwei Spitzgräben, später aber
nur noch einer zu dem Steinkastell gehörten. Er
stellte ferner — zwischen den Grabenmitten gemes-
sen — rund 9 m vor dem zweiten Spitzgraben einen
dritten fest, der etwa 4 m breit und 1,80 m tief war,
und entdeckte noch ungefähr 11m vom dritten Gra-
ben entfernt einen riesigen vierten von fast 11m
Breite und 4 m Tiefe, der aber fast völlig fundleer
war. Im September 1961 konnte ich einen weiteren
Schnitt durch die nördliche und zwei andere durch
die südliche Umwehrung treiben. Dabei zeigte es sich,
daß auch im Süden die von Zürn festgestellte Anzahl
der Gräben vorhanden ist275. Außerdem fand ich 3 m
hinter der Mauer sowohl im Norden als auch im
Süden ein Gräbchen für die hintere Bohlenwand
einer Holz-Erde-Umwehrung. Das vordere ist offen-
bar bei der Verbreiterung der Mauer zerstört worden.
Aus der Einfüllung der Gräben ergibt sich für
das Bürgkastell diese Abfolge: 1. Ein Erdkastell mit
einer rund 3 m breiten Holz-Erde-»Mauer«, davor
wahrscheinlich nicht vier, sondern drei Gräben, deren
Spitzen jeweils Ilm voneinander entfernt sind. Im
Norden und Süden hatte dieses Holz-Erde-Kastell
die gleiche Größe wie die nachfolgenden Steinka-
stelle. Vermutlich war das auch im Osten und Westen
der Fall, wo aber keine Möglichkeiten mehr zum

Graben bestehen. 2. Ein Steinkastell mit verhältnis-
mäßig schmaler Mauer, schmaler Berme und zwei
Spitzgräben, oder besser: mit einem Doppelspitz-
graben wie bei der im folgenden beschriebenen 1. Pe-
riode des Rendelkastells. 3. Ein Steinkastell mit brei-
ter Mauer, breiter Berme und nur einem Spitzgraben
wie bei der 2. Periode des Rendelkastells. Diese
zuletzt genannte Kombination ist offensichtlich eine
typische Erscheinung des ausgehenden 2. und begin-
nenden 3. Jahrhunderts.
Das Holz-Erde-Kastell ist das erste dieser Art,
das am äußeren Limes nachgewiesen werden konnte,
und nach allen unseren Erfahrungen möchte man es
gefühlsmäßig in die vorantoninische Zeit datieren.
Wir wollen aber damit vorsichtig sein, zumal sich
weder bei der Grabung von Zürn noch bei meiner
eigenen älteres Fundmaterial eingestellt hat. Eine
weitere Untersuchung im Kastellinnern, bei der wir
auf frühe Kellergruben hoffen, wird daher nicht zu
umgehen sein. Wichtig ist beim derzeitigen For-
schungsstand jedoch folgende Überlegung: Sollten
im östlichen Rendelkastell tatsächlich keine Spuren
eines vorausgehenden Erdwerks beim Bau der Wehr-
mauern so zerstört worden sein, daß sie sich den
Beobachtungen entzogen haben, dann würde die auf
der Unteren Bürg vorhandene ältere Erdkastellperi-
ode wirklich am Rendelstein fehlen und wir könnten
unsere Ansicht in gewisser Weise stützen, daß das
Rendelkastell das jüngere sei.
Auch dort wurde vor einigen Jahren eine Gra-
bung durchgeführt, die zwar zu der eben vorgetra-
genen Frage nach dem Zeitpunkt der Vorverlegung
des Limes keine direkten Anhaltspunkte beisteuerte,
aber doch unbedingt nötig war, um eine chronologi-
sche Relation zwischen dem Bürg- und dem Rendel-
kastell herzustellen276.
Untersucht habe ich im Herbst 1957 mit mehreren
Flächen das seiner Lage nach bisher unbekannte Süd-
tor, die südöstliche Kastellecke und die zwischen bei-
273 J. A. Stanfield und G. Simpson, Central Gaulish Potters
(1958) 40. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß Stücke
im Stil des Libertus, Cocatus und loenalis in Wroxeter noch
in einem Depot vorkommen, das zusammen mit dem dortigen
Forum frühestens um 150 verschüttet wurde: a. a. O. XLVI
oben. Man nimmt daher an, daß diese wenigen Stücke 30 Jahre
überlebt haben. Es handelt sich aber wieder, wie im Falle des
Bregenzer Kellerfundes, um ein »Depot«, über dessen Zu-
standekommen wir nichts wissen.
274 ORL. B IV Nr. 42 und 421 Taf. 1 und 3.
275 Einer von den beiden äußeren Gräben war wohl 1950
bei der Erweiterung der Gewerbeschule nahe der SO-Ecke des
Kastells erkannt worden: Fundber. aus Schwaben N. F. 11,
1938—50 (1951) 74. — Die Ergebnisse der Grabungen von
H. Zürn sollen zusammen mit denen der 1961 durchgeführten
und der für die Zukunft geplanten in einem der nächsten Bände
der Fundber. aus Schwaben veröffentlicht werden.
273 Germania 36, 1958, 464 ff.; Fundber. aus Schwaben
N. F. 15, 1959, 46 ff.; Württembg. Franken 43, 1959, 148 ff.

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