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1. Einführung und Problemstellung

Ein Überblick über die Lorscher Musikhandschriften der Bibliotheca Pa-
latina wirft einige überlieferungsgeschichtliche und quellenkundliche
Probleme auf. Im Gegensatz zu anderen Klöstern wie in Einsiedeln, St.
Gallen, aber auch Quedlinburg oder Regensburg, die große musikalisch-
liturgische Handschriften hinterlassen haben, sind die Zeugnisse der Lor-
scher Musik auf dem ersten Blick relativ spärlich. Zudem sind sie in vielen
Handschriften verstreut, meist auch nur scheinbar zusammenhangslos als
Glossen notiert und manchmal so kurz, daß eine gesicherte Datierung
ebenso unmöglich ist, wie auch die Bedeutung für Liturgie und musikali-
sches Leben der Abtei an der Bergstraße.

Dennoch geben die erhaltenen Reste, die für sich betrachtet nur wenig
aussagekräftig erscheinen, im Gesamtbild durchaus schon einen Einblick
in das ehemals reiche Musikleben des Lorscher Klosters. Als Benedikti-
nerkonvent wurde allein schon durch die Ordenstradition der Choral
täglich gesungen. Aber auch ein Blick in die Klostergeschichte und ihr
Umfeld ist lohnend, gewinnen doch so die erhaltenen Musikzeugnisse
einen Rahmen, der Rückschlüsse über die einstige Bedeutung Lorschs für
das Musikleben erlaubt.

Methodologisch ist eine Bewertung der Lorscher Musikhandschriften in
der Bibliotheca Palatina problematisch, stellt sich doch hierbei die Frage
nach der Bedeutung Lorschs nach wissenschaftlichen Kriterien. Die Wis-
senschaft allerdings interessiert immer nur das Besondere: Wo hebt sich
das Schaffen Lorschs von anderen Klöstern ab? Wenn man musikalische
Bedeutung nur in der Einzigartigkeit der Überlieferung, in besonderer
Ausformung der Neumenschrift oder in der Neuschöpfung sieht, so muß
Lorsch im Vergleich zu Klöstern wie Einsiedeln oder St. Gallen als unbe-
deutend angesehen werden. Eine Erforschung wäre demnach auch wis-
senschaftlich nicht lohnend.

Allerdings hat Lorsch durchaus in anderen Bereichen eine große Bedeu-
tung besessen. Die Bibliothek gehörte zu den reichsten ihrer Zeit, die
Wirtschaftskraft überstieg die anderer Abteien um einiges, und als Haus-
kloster der Karolinger sowie als Reichskloster, das auch den Ottonen und
Saliern engstens verbunden war, besaß Lorsch eine Stellung, die die
Wissenschaftler schnell auf die "Rosinenstücke” der Lorsch-Forschung
stieß, die vor allem in der Kunstgeschichte und Territorialgeschichte
 
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