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liegen. Repräsentiert werden diese durch die berühmte Königshalle, die
viele Kunstgeschichtler zu Datierungs- und Deutungsversuchen animiert
hat, und durch den "Lorscher Codex", der die umfangreichen Besitzungen
des Klosters aufzeigt und für viele Gemeinden die erste urkundliche Er-
wähnung bedeutet.

Die Lorsch-Forschung ist jedoch unvollständig, wenn sie mcht versucht,
auch die scheinbar nebensächlichen Themen aufzubereiten. So ist der
Wert dieser Arbeit für die Gregorianikforschung möglicherweise gering.
Für ein umfassendes Bild der Geschichte und Kultur des Klosters Lorsch
allerdings ist die Aufarbeitung dieses Themas notwendig. Dies erkannte
auch schon vor einigen Jahrzehnten der Vorsitzende der Hessischen Hi-
storischen Kommission, Dr. Friedrich Knöpp, als er -vergeblich- versuch-
te, einen Autor für die Behandlung der Lorscher Musik in dem großen
Sammelband ”Die Reichsabtei Lorsch” anläßlich der großen Lorscher
Klosterjubiläen 1964 und 1974 zu gewinnen.2

Der nur relativ geringe Bestand an direkten musikalischen Quellen in
Form von neumierten Texten in Lorsch, erfordert es, auch auf andere
Quellen zurückzugreifen, die nur mittelbar mit den Musikfragmenten in
Zusammenhang stehen, aber für eine Einordnung derselben, wie auch für
das Ineinandergreifen von Musik und Liturgie aber auch Musik und
politischer Geschichte des Klosters Lorsch herangezogen werden müssen.
Zudem lassen sich auf diese Weise auch mögliche Rückschlüsse auf das
ziehen, was unwiederbringlich verloren ist oder aber, was sich nicht in
schriftlicher Form direkt niedergeschlagen hat. Dabei ist vor allem an die
Lorscher Frühzeit zu denken, eine Zeit, in der die Neumenschrift zwar
noch nicht entwickelt war, die aber keineswegs ohne Musik ausgekom-
men ist, ja sogar für die Entwicklung des Gregorianischen Chorals von
entscheidender Bedeutung war.

Ein Beispiel für eine solche indirekte Quelle ist die Frage nach deöi Be-
wußtsein der Lorscher Mönche, daß der Kirchengesang der "Gregoriani-
sche Choral" war. In keiner bekannten Lorscher Quelle wird direkt auf
den "Cantus Gregorianus" verwiesen. Dennoch weiß man, daß spätestens
seit dem 10. Jahrhundert Papst Gregor der Große [540-604] als Schöpfer
des Chorals angesehen wurde. Mittelalterliche Buchmalereien aus ande-
ren Klöstern3 zeigen den Papst an einem Schreibpult. Auf seinen Schul-

2 nach Mitteilung von Paul Schnitzer, Lorsch

3z.B. eine Handschrift aus der St.-Udalricus-und-Afra-Abtei, Augsburg, um 1100 in Wolfen-
btittel, Herzog-August-Bibliothek, 334 Gud. lat. 6°, fol. lr (Abb. in Waesberge, S. 50)oder
St. Gallen. Stiftsbibliothek, Cod. 390, fol. 13 (Abb. in Stevens, Tafel 39).
 
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