Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

Als nun die genannten Geistlichen Rom verließen, herieten sie sich, weil
ja immer alle Griechen und Römer vom Neid auf den Ruhm der Franken
geplagt wurden, wie sie das Singen so verschieden gestalten könnten,
daß sich nie Einheitlichkeit und ein Zusammenklang im Reich und im
fremden Bezirk ausbreite.»21

Karl der Große, nach Notker ein guter Kenner des Kirchengesangs, be-
merkte die unterschiedliche Singweise und beschwerte sich bei Papst
Leo. Dieser antwortete ihm:

«Gib mir von Deiner Seite zwei begabte Geistliche, ohne daß es meine
Leute merken, daß sie zu Dir gehören, und sie werden, so Gott will, in der
Kunst, die du meinst, ein vollkommenes Wissen erlangen. Und so geschah
es. Und siehe, schon nach kurzer Zeit schickte er sie aufs beste geschult
zurück zu Karl. Dieser behielt einen bei sich, den anderen aber schickte er
auf Bitten seines Sohnes Drago, des Bischofs von Metz, an diese Kirche.22»
Gänzlich anders als Notker sieht der römische Johannes Diaconus diesen
Vorgang:

«Aber auch unser Schirmherr Karl, König der Franken, war in Rom darü-
ber unwillig, daß römischer und gallikanischer Gesang nicht iiberein-
stimmten. Als die Gallier frech behaupteten, der Gesang sei von unseren
Leuten durch gewisse Weise verdorben worden, und als unsere Leute
dem gegenüber glaubhaft machten, daß unser Antiphonar authentisch
sei. soll Karl- so wird berichtet- gefragt haben: "Wer, Fluß oder Quelle,
hat iiblicherweise das klarere Wasser?" L..] »23

21 «Igitur indefessus divinae servitutis amator Karolus, voti sui compotem quantum fieri
potuit in litterarum scientia effectum se gratulatus, sed adhuc omnes provintias immo
regiones vel civitates in laudibus divinis. hoc est in cantilenae modulationibus, ab invicem
dissonare perdolens L...J aliquos carminum divinorum peritissimos clericos impetrare
curavit. Qui bonae illius voluntati et studiis divinitus inspiratis assensum praebens,
secundum numerum duodecim apostolorum de sede apostolica duodecim clericos doctissi-
mos cantilenae ad eum direxit in Franciam.» Quelle: Reinhold Rau (Hg.): Notkers Taten
Karls. In: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Dritter Teil. Neu bearbeitet unter
Benutzung der Übersetzungen von Carl Rehdantz. Ernst Dümmler. Wilhelm Wattenbach.
Darmstadt 1960, S. 334-337

22 ebenda: da mihi de latere tuo ingeniosissimos clericos, ut non advertant, qui mecum sunt,
quod ad te pertineant, et perfectam scientiam Deo volente in hac re quam postulas asse-
quentur. Factumque est ita. Et ecce post modicum tempus optime instructos remisit ad
Karolum. Qui unum secum retinuits alterum vero petente filio suo Truogone Mettensi
episcopo ad ipsam direxit aecclesiam.

23 Johannes Diaconus: S. Gregorii Magni Vita. In: Migne, PL. 75. Sp. 91f.: Sed et Carolus
noster patricius. rex autem Francorum, dissonantia Romani et Gellicani cantus Romae
offensus. cum Gallorum procacitas cantum a nostratibus quibusdam naeniis argumentare-
tur esse corruptum. nostrique e diverso authenticum Antiphonarium probaliter ostentarent.
interogasse fertur quis inter rivum et fontem limpidiorem aquam conservare soleret?
Wie sehr der Text von Johannes als Polemik gewertet werden muß. wird im Artikel Stä-
bleins. MMM 2, S. 142f. deutlich. Die Quellen sind auch bei Hucke, Einführung S. 175
wiedergegeben, allerdings sieht er in der Polemik des Johannes einen wahren Kem
 
Annotationen