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6. Zusammenfassung

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Der Vergleich der verschiedenen Lorscher Handschriften zeigt, daß man
von einer durchgehend einheitlichen Lorscher Neumenschrift -wie das für
St. Gallen der Fall ist- nicht sprechen kann.

Lorsch war ein typischer Vertreter der sogenannten frühdeutschen Neu-
menschrift, die der Sankt Galler Schrift ähnlich ist, aber lothringische
Elemente wie die spitze Clivis und die Schriftachse aufgenommen hat.
Einziges gemeinsames Element, das fast in allen Lorscher Handschriften
zu finden ist, ist der runde Pes mit seiner Auswölbung nach hinten Wie
solche Elemente auf eine Entwicklung hin zur gotischen Hufnagelschrift
deuteten, beweisen die Clivisformen in Pal. lat. 200, 241 und 1449. Die
lothringischen Einflüsse wirken sich in einzelnen Handschriften unter-
schiedlich stark aus, sind aber selbst bei Handschriften vorhanden, die
eindeutig auf Sankt Galler Vorbilder zurückgehen. Inwieweit diese loth-
ringischen Einflüsse nur regionalen Ursprungs sind -Lorsch liegt näher
bei Metz als bei Sankt Gallen- oder aber in Verbindung mit der Gorzer d.h.
Lothringischen Klosterreform zu bringen sind, kann nicht emdeutig ge-
klärt werden. Da es sich dabei jedoch eher um eme administrative Reform
handelte, scheinen solche Verbindungen eher unwahrscheinlich. Auch
die in der Chronik bezeugten Kontakte der Abtei durch dre Kommenda-
räbte und die von Bischoff für die Zeit nach Mitte des 9. Jahrhunderts
nachgewiesenen Bibliothekskontakte lassen Beziehungen kaum mehr
über die Westgrenze des ostfränkischen, später deutschen Reiches hinaus
sicher bezeugen. Schließlich weisen die Besitztümer Lorschs in erster Li-
nie eine Nord-Süd-Richtung von der Gegend von Utrecht bis in die heuti-
ge Schweiz an. So weist auch die Geographie Lorsch als Ort aus, der die
verschredensten Einflüsse bündelte, ohne -wie im Bereich der Buch-
schrift von Bischoff dargestellt- in der Neumenschrift wirklich stilbildend
zu wirken.

Die Bedeutung Lorschs für die Musikgeschichte des Mittelalters muß
dennoch größer gewesen sein, als es die heute noch erhaltenen Reste
erahnen lassen, wenngleich hier -gerade auch was die Musiktheorie
betrifft- wie in der Frage der Wissensübermittlung oder der Consuetudi-
nes Lorsch stets traditionsbewußt87 war. Dies hinderte die Abtei dennoch
nicht daran, auch musikalische Neuschöpfungen in Form von Sequenzen
und Tropen aber auch Vertonungen antiker Gedichte zu wagen88.

07 Hallinger, Gorze S. 187

a-T Zum Zusammenhang zwlschen den Möglichkelten einer Notenschrift und ihrer Auswlr-
kung auf das kompositorische Schaffen siehe die Theorien von Kaden, S. 334ff.
 
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