EIN BOULLE-MÖBEL
DES KURFÜRSTEN MAX EMANUEL
Von HANS HUTH
Die Anfertigung von „Boulle-Möbeln" hat die Zeit ihres Erfinders überdauert, diese Möbel
bilden ein der Mode unterworfenes Element in der Möbelgeschichte, das zeitweise auf-
taucht und wieder verschwindet. Die „Boulle"-Technik selbst — Metallschildpatt-Marketerie
— war ja schon längst bekannt, als Andre Charles Boulle (1642—1732) seine Werkstatt
(1672) im Louvre eröffnete. Allerdings hat er ihr durch die 60 Jahre lang dauernde Pro-
duktion seiner Werkstatt zu weitester Verbreitung geholfen. Seine Arbeitsweise wurde noch
etwa 20 Jahre nach seinem Tode durch seine Söhne fortgesetzt, die allerdings ein Zeitgenosse,
der Verleger Mariette, als „les singes de leur pere" charakterisierte. Man erkennt daraus,
daß im zweiten Viertel des 18. Jh. der „Boullestil" abgewirtschaftet hatte. Damals war
Cressents Stern im Steigen, ihm folgte die Generation Oebens. Mit diesem Künstler und
seinem Hauptwerk, dem für Louis XV. geschaffenen „bureau du roi", erreichte die franzö-
sische Ebenisterie ihren Höhepunkt. Sein Nachfolger Riesener und die Genossen seiner
Zeit wandten sich allmählich gemäßigteren klassizistischen Zielen zu. Teilweise suchten
sie diese mit eklektischen Mitteln zu erreichen und griffen auf Vorbilder der Regence
zurück. So erlebte das Boulle-Möbel eine Renaissance; die Meister Levasseur, Leleu, Mon-
tigny, Weisweiler arbeiteten nach den alten Modellen der Boulle-Werkstatt. Was ihre Ar-
beiten jedoch erheblich von den letzteren unterscheidet ist die viel weitgehendere De-
taillierung sowohl des künstlerischen Entwurfs wie der technischen Ausführung. In den
Jahren der Revolution fanden die Boulle-Prunkmöbel dann ebensowenig Wertschätzung
wie in der dann folgenden Empirezeit: diesen Möbeln haftete zu sehr das Odium des
Sonnenkönigs an, erst die Zeit Louis Philippes schenkte ihnen wieder Beachtung. Dies-
mal waren jedoch keine neuschöpferischen Kräfte am Werk. Umarbeitungen alter Möbel
oder deren öde Kopien mußten den Bedürfnissen dienen, wobei auch antiquarische Interessen
sehr stark in den Vordergrund zu treten begannen. Unter den Sammlern jener Zeit ragt
vor allem hervor der 4. Marquis von Hertford, der damals die Grundlagen legte für die
heutige Wallace-Collection in Hertford-House. Diese Sammlung ist besonders reich an
Boulle-Möbeln, freilich Boulle-Möbeln der verschiedensten Zeiten. Erst die gründliche Prü-
fung der Bestände, die Mc. Coll begann und die bis in die jüngste Zeit durch S. J. Camp
fortgesetzt wurde, ergab eine genauere Übersicht des Materials. Unter diesem befindet
sich ein Konsoltisch (No. XIII. 8) aus der zweiten Boulle-Periode, der von Jean Francois
DES KURFÜRSTEN MAX EMANUEL
Von HANS HUTH
Die Anfertigung von „Boulle-Möbeln" hat die Zeit ihres Erfinders überdauert, diese Möbel
bilden ein der Mode unterworfenes Element in der Möbelgeschichte, das zeitweise auf-
taucht und wieder verschwindet. Die „Boulle"-Technik selbst — Metallschildpatt-Marketerie
— war ja schon längst bekannt, als Andre Charles Boulle (1642—1732) seine Werkstatt
(1672) im Louvre eröffnete. Allerdings hat er ihr durch die 60 Jahre lang dauernde Pro-
duktion seiner Werkstatt zu weitester Verbreitung geholfen. Seine Arbeitsweise wurde noch
etwa 20 Jahre nach seinem Tode durch seine Söhne fortgesetzt, die allerdings ein Zeitgenosse,
der Verleger Mariette, als „les singes de leur pere" charakterisierte. Man erkennt daraus,
daß im zweiten Viertel des 18. Jh. der „Boullestil" abgewirtschaftet hatte. Damals war
Cressents Stern im Steigen, ihm folgte die Generation Oebens. Mit diesem Künstler und
seinem Hauptwerk, dem für Louis XV. geschaffenen „bureau du roi", erreichte die franzö-
sische Ebenisterie ihren Höhepunkt. Sein Nachfolger Riesener und die Genossen seiner
Zeit wandten sich allmählich gemäßigteren klassizistischen Zielen zu. Teilweise suchten
sie diese mit eklektischen Mitteln zu erreichen und griffen auf Vorbilder der Regence
zurück. So erlebte das Boulle-Möbel eine Renaissance; die Meister Levasseur, Leleu, Mon-
tigny, Weisweiler arbeiteten nach den alten Modellen der Boulle-Werkstatt. Was ihre Ar-
beiten jedoch erheblich von den letzteren unterscheidet ist die viel weitgehendere De-
taillierung sowohl des künstlerischen Entwurfs wie der technischen Ausführung. In den
Jahren der Revolution fanden die Boulle-Prunkmöbel dann ebensowenig Wertschätzung
wie in der dann folgenden Empirezeit: diesen Möbeln haftete zu sehr das Odium des
Sonnenkönigs an, erst die Zeit Louis Philippes schenkte ihnen wieder Beachtung. Dies-
mal waren jedoch keine neuschöpferischen Kräfte am Werk. Umarbeitungen alter Möbel
oder deren öde Kopien mußten den Bedürfnissen dienen, wobei auch antiquarische Interessen
sehr stark in den Vordergrund zu treten begannen. Unter den Sammlern jener Zeit ragt
vor allem hervor der 4. Marquis von Hertford, der damals die Grundlagen legte für die
heutige Wallace-Collection in Hertford-House. Diese Sammlung ist besonders reich an
Boulle-Möbeln, freilich Boulle-Möbeln der verschiedensten Zeiten. Erst die gründliche Prü-
fung der Bestände, die Mc. Coll begann und die bis in die jüngste Zeit durch S. J. Camp
fortgesetzt wurde, ergab eine genauere Übersicht des Materials. Unter diesem befindet
sich ein Konsoltisch (No. XIII. 8) aus der zweiten Boulle-Periode, der von Jean Francois