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München, ,3 Nov 1916.

Beütge znr „Werkstatt der Kaeet" (E. A. Seeanaa, Leipzig).
Ereohelnt 14 tägig aater Leitaag vaa Maler Prof. Er net Berger.

mijahr^. Nr. 4.

Inhalt: Eine neue Lösung des Streites zwischen Goethe und Newton. Vom Herausgeber. (2. Fortsetzung.)
— Farbentheorien. Von Dr. Hans Schmidkunz, Berhn-Hatensee. (1. Fortsetzung.) — Die neueren
Maimethoden vom Pieinairismus bis zum Futurismus. Von E. B. (3. Fortsetzung.) — Unsere Mai-
methoden im dritten Kriegsjahr.


Eine neue Lösung des Streites
Vom Her
Die Ausgangspunkte der Betrachtung über das
Wesen des Lichtes und der Farben waren bei
Goethe und Newton grundverschieden; Newton
beobachtete die Natur der Spektraifarben in der
Dunkelkammer, Goethe beobachtete die Licht-
wirkung in der freien Natur. Newtons Nach-
folger erklärten die physiologischen Farben für
„zufällig", für krankhaft, für Phantasmen usw.,
Goethe wollte von dem „Gespenst in der Dunkel-
kammer" nichts wissen. So war vor IOO Jahren
der Streit, und bei dem damaligen Stand der
Wissenschaft, eine Entscheidung zugunsten der
einen oder der anderen Meinung nicht möglich.
„Heute ist dies anders," sagt Raehlmann. „Die
Lehren Newtons und seiner Schüler über die
Brechbarkeit des Lichtes, über die Farben als
Lichtqualitäten verschiedener Wellenlänge sind
das Hauptfundament geworden für die Entwicklung
der modernen Naturwissenschaften; das Mikroskop,
die Polarisation, die Spektralanalyse entwickeln
sich und stehen auf dem Boden dieser Lehre."
„Die physiologische oder die subjektive
Farbe, um deren Erkenntnis sich Goethe blei-
bende Verdienste erworben, das ist aber die
eigentliche Farbe Goethes! Nachdem man sie
ein Jahrhundert lang geschmäht, ist die Neuzeit
gerechter geworden und hat ihre nicht mehr an-
zuzweifelnde Wahrheit aberkannt; denn alle die
Farbenerscheinungen, die wir gegenwärtig mit dem
Namen „Kontrast" bezeichnen, sind in Wahrheit
schon von Goethe erkannt und in ihrer Be-
deutung für das Farbensehen beschrieben
worden."
„Wenn wir Goethes Farbenlehre, frei von der
unglücklichen Polemik mit Newton, richtig charak-

zwischen Goethe und Newton.
usgeber. (2. Fortsetzung.)
terisieren wollen, müssen wir sagen: Die Farbe
Goethes ist die Kontrastfarbe." Sie äussert
sich subjektiv unter folgenden Bedingungen:
1. als nachfolgender (sukzessiver) Kontrast in
den Nachbildern,
2. als gleichzeitiger (simultaner) Kontrast,
a) auf grosser farbiger Fläche,
b) in den farbigen Schatten.
Alle diese Formen des Kontrastes waren
Goethe bekannt und er hat sie als Reizzustände
des Auges erklärt. Er fand, dass bei stärkeren
farbigen Reizen im Auge ein Nachbild bemerkt
werde, das unter einer gesetzmässigen Folge ein-
trete, und er bezeichnete die hierbei eintretende
Farbe als die „geforderte" oder komplementäre.
So war auf grünem Reiz ein Purpur, auf gelbem
ein Blau die geforderte Farbe. Goethe folgerte
daraus mit Recht, dass die Empfindung einer be-
stimmten Farbe zwangsmässig die subjektive Er-
scheinung der Gegenfarbe fordert. Auch hat
Goethe eine gewisse Gesetzmässigkeit im Ab-
klingen der Nachbilder, bei geschlossenem Auge,
erkannt; während auf das Reizlicht Weiss die
Empfindung Schwarz folgt und umgekehrt.
„Er erkennt auch die Bedeutung dieser sub-
jektiven vom Auge geforderten Farben als Stim-
mungsfarben; haben wir lange eine rote Fläche
angesehen, so ist das Auge besonders empfindlich
für Grün, waren wir lange in blaugefärbter Um-
gebung, ist das Auge besonders empfänglich für
Gelb und umgekehrt. Ein Gemälde mit viel Grün
erscheint am kräftigsten auf einer roten Wand usw."
Nachbilderscheinungen sind auch die Haupt-
ursache des „scheinbaren Blitzens", welches bei
längerem Betrachten starkgefarbter Blüten in der
 
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