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Nr. !3.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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Verschiedenheiten auf sich beruhen lassen. Die Er-
gebnisse noch vozunehmender Detailforschungen werden
mit der Zeit die eine oder andere Ansicht als richtig
erweisen.
Haben wir schon als Missliebigkeit im heutigen
Malergewerbe das Operieren mit minderwertigem
Farbenmateria! bezeichnet, so wollen wir zum Ver-
gleich einmal einen Bhck werfen auf dieselben Zu-
stände im antiken Malergewerbe. Die Farbenskala
der Alten besass, wie ja leicht zu verstehen ist,
bei weitem keinen so grossen Umfang wie unsere
heutige. Meistenteils waren es weisse und verschieden-
farbige Erden, die in der Malerei Verwendung fanden.
Nur eine ganz beschränkte Anzahl von Pigmenten
wurde teils auf chemischem Wege, teils durch Ex-
traktion , durch Brennen usw. erhalten. Und wie
heute gab es auch damals Farben hoch und niedrig
im Preis. So kostete beispielsweise ein Pfund guter,
echter Zinnober aus Spanien 50 Sesterzien, was zur
Zeit der Zäsaren nach heutigem Gelde über 1r Mk.
ausmachte. Zu jenen Zeiten lag nun allerdings die
Schuld an der Verwendung minderwertigen oder
direkt gefälschten Materials weniger am Maler selber
als am Fabrikanten, der des lieben Profites halber
seine Kunden zuweilen ausgiebig bemogelte.
Plinius, dessen Historia naturalis sich im allge-
meinen als eine blosse Kompilation aller möglichen
und unmöglichen Histörchen, von so „irgend etwas
läuten hören", oft aber auch als Nachweis vieler offen-
kundiger Tatsachen zu erkennen gibt, überliefert uns
so manche wertvolle Nachricht, ohne die man sonst in
manchen Fragen über altrömische Verhältnisse im
Dunkeln herumtappen würde. So verbreitet er über
maltechnische Fragen manches Licht, die zu folgenden
Ausführungen vielfach die Basis bilden und zum Teil
wörtlich zitiert sind.
Um auf den Zinnober zurückzukommen, wollen
wir einmal sehen, ob nichts näheres über seine Stel-
lung in dem Farbenregister der Antike bekannt ist.
Die frührömischen und -griechischen Maler hatten
ihren Zinnober aus der cilicianischen Gegend bei
Ephesus in Kleinasien bezogen. Doch mancherlei Um-
stände verteuerten das Material so, dass der Verbrauch
allmählich eingestellt und zu Ersatzmitteln, wie feuri-
gen Rötelerden gegriffen werden musste. Erst als die
Römer nach langen Kämpfen die iberische Halbinsel
in ihren Besitz gebracht hatten und anfingen, die
Schätze des Landes auszubeuten, stiessen sie in der
Provinz Baetika, dem heutigen südlichen Spanien,
wahrscheinlich in der Sierra de Almaden auf grosse
Zinnoberlager. Um aber einem Raubbau in den neu-
gefundenen Minen einen Riegel vorzuschieben, be-
stimmte der römische Senat durch Gesetz, dass all-
jährlich nur soviel Erz gehoben werden dürfte, als zur
Gewinnung von etwa 1000 Pfund Zinnober erforder-
lich wäre. Nach der Zutageförderung des genügenden
Quantums versiegelten die römischen Behörden die
Mine. Das Erz musste nach Rom transportiert wer-
den und dort durfte erst mit dem Fabrikationspro-
zess des Zinnobers begonnen werden. Dies alles wurde
von einer Gesellschaft besorgt, die das Monopol zur
Ausnutzung des Bergwerks vom römischen Staat
erpachtet hatte und die zum Zwecke der Zinnober-
produktion in Rom gewiss umfangreiche Werkstätten
besass. Es ist als sehr wahrscheinlich anzunehmen,
dass nun unlautere Manipulationen in ziemlich ausge-
dehntem Masse betrieben wurden. Klagt doch unser
Gewährsmann: „Dort wird derselbe (Zinnober) auf
mancherlei Art und Weise verfälscht, wodurch die
Pachtgesellschaft ihren Vorteil (aus den Taschen der
Konsumenten) förmlich raubt."
Was alles zu diesen Betrügereien herhalten musste,
mag folgendes zeigen. In den baetischen Bergwerken

wurde noch eine zweite, schlechtere Sorte „Zinnober"
gefunden, mit welchem der echte in ausgiebigster
Weise verschnitten wurde. Was unter dem zweiten
Zinnober gemeint ist, ist nicht recht klar. Zu gleichem
Zwecke dienten ferner syrischer Rötel d. i. eine
Mischung aus kräftig roten Sorten des sinopischen
und lemnischen Rötels, letzterer hin und wieder auch
allein. Sogar tierische und vegetabilische Stoffe fan-
den in dieser Fälscherkunst Verwendung wie Bocks-
blut, Elsbeeren, die Frucht von Sorbus torminalis.
Zur Auffüllung, wie es heutzutage bei vielen Farben
mit Spat geschieht, diente Kalk. Wer herausfinden
wollte, ob Zinnober kalkverdächtig war oder nicht,
musste iolgendermassen verfahren: „Er besorge sich
ein Stück Eisenblech, streue etwas Zinnober darauf
und halte es solange über Feuer, bis es glühend wird.
Wenn in der Glut die Farbe sich verändert hat und
schwarz geworden ist, entferne man das Blech. Nimmt
der Zinnober nach dem Erkalten seine frühere Farbe
wieder an, so ist damit seine Echtheit erwiesen; ist
dies nicht der Fall, bleibt er schwarz, so wird er als
gefälscht anzusehen sein."
Das Farbmaterial, das auf diese Art und Weise
zusammen fabriziert wurde, muss manchmal von solcher
„Güte" gewesen sein, dass z. B. der Zinnobergrundan-
strich auf den Loggienwänden der Villa des Notars
Faberius, die sich auf dem aventinischen Hügel befand,
schon nach 30 Tagen begann, Flecken zu zeigen und
unscheinbar zu werden. Es blieb dem Maler nichts
weiter übrig, als die ganzen Wände, auf die noch viel
Malerei kommen sollte, die aber aus irgend einem
Grunde noch nicht zur Ausführung gekommen waren,
in Anbetracht des schlechten Zinnobermaterials, das
man nur erhalten konnte, mit einer anderen Farbe,
mit welcher, das wird nicht gemeldet, neu zu strei-
chen.
Wenn wir unsere heutigen Zinnoberersatze, Zinno-
berverschnitt vielleicht weniger, damit vergleichen, so
lassen sich mit den antiken Surrogaten eigentlich nur
allgemeine Parallelen ziehen. Dort war der Grund der
Verfälschung, wie schon gesagt, mehr die ProHthasche-
rei der Fabrikanten, während die heutigen Ersatzmittel
bei unseren klimatischen Verhältnissen mehr der Bestän-
digkeit dienen sollen. Aber auch mit diesen modernen
Ersatzmitteln, die unter Verwendung von Teerfarb-
stoffen hergestellt werden, werden oft unliebsame
Erfahrungen gemacht, wie mit dem Unscheinbarwerden
einer aufgeschönten Mennige, dem Ausbleichen eines
modernen Echtrots, Signalrots und wie sie alle heissen.
Da ist aber vielfach der Konsument mit schuld, der
sich erst vorher informieren soll, was er für das Geld,
das er für seine Materialien anlegen will, erhalten kann,
und dazu ist ihm in den Preisverzeichnissen der
Fabrikanten ausreichend Gelegenheit geboten.
Aehnlich wie es heute mit dem Bleiweiss geschieht,
das zu verschiedenen Prozentsätzen der Verbilligung
halber mit Schwerspat versetzt wird, wurde mit einem
der hauptsächlichsten Malmittel des Altertums, der
parätonischen Erde verfahren. Dieselbe stellte eine
fettige weisse Kreideart dar, deren Hauptfundort Parä-
tonium im ägyptischen Libyen und ausserdem die heu-
tige Zyrenaika an der Nordküste Afrikas und Kreta
war. Ihrer hervorragenden Eigenschaften wegen wurde
sie als vorzüglicher Malgrund und als Mischfarbe
benutzt. Doch stand sie auch ziemlich hoch im Preise.
Die beste Sorte kam pro Pfund auf 16 Denare oder
zirka 13 Mk., die mittlere dann vielleicht 8—:o Mk. pro
Pfund. Aber das war immerhin noch ein ganz ansehn-
licher Betrag. Um sie zu verbilligen, wurde zu kimo-
lischer Erde gegriffen, die abgekocht und eingedickt
wurde. Es war dies eine billige weisse Tonart, die
auf der griechischen Insel Kimolos, nördlich der
grossen Insel Milo gelegen, schon tief im Altertum
 
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