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lernen läfst, wenn es soll wirklich gelernt wer-
den, nicht auf fremden Glauben angenommen?
In eigenthümlicher Würde und mit den
fruchtbarsten Tendenzen zeigt sich das Studium
der alten Sprachen, wenn es von jeder Be-
ziehung unabhängig und als Zweck an sich
betrachtet wird. Bei dieser Betrachtung liegen
folgende von wenigen recht erwogene Haupt-
sätze zum Grunde. Die Sprachen, die ersten
Kunst-Schöpfungen des menschlichen Geistes,
enthalten den ganzen Vorrath von allgemeinen
Ideen und von Formen unseres Denkens, wel-
che bei fortschreitender Gultur der Völker sind
gewonnen und ausgebildet worden; sie liefern
daher in ihren Zeichen eine Menge einzelner
Gemähide von nationalen Vorstellungen, wo-
durch der Gehalt theils sinnlicher, theils be-
sonders intellectueller Ideen und das Charakte-
ristische in Auffassung von beiden dargestellt
wird. Demnach mufs jede ihrer Absicht eini-
germafsen genügende Sprache gewisse Classen
von Ideen darbieten, die nach der physischen
und sittlichen Individualität des Volkes, wel-
ches sie bildete, vorzüglich bearbeitet, vervoll-
kommnet und mit angemessenen Ausdrücken
bezeichnet sind. In der Art der Bezeichnungen
aber liegen nicht geringere Schätze als in den
Zeichen selber. Denn, wie die letztern in je-
der Sprache den Forscher mit neuen Vorstel-
lernen läfst, wenn es soll wirklich gelernt wer-
den, nicht auf fremden Glauben angenommen?
In eigenthümlicher Würde und mit den
fruchtbarsten Tendenzen zeigt sich das Studium
der alten Sprachen, wenn es von jeder Be-
ziehung unabhängig und als Zweck an sich
betrachtet wird. Bei dieser Betrachtung liegen
folgende von wenigen recht erwogene Haupt-
sätze zum Grunde. Die Sprachen, die ersten
Kunst-Schöpfungen des menschlichen Geistes,
enthalten den ganzen Vorrath von allgemeinen
Ideen und von Formen unseres Denkens, wel-
che bei fortschreitender Gultur der Völker sind
gewonnen und ausgebildet worden; sie liefern
daher in ihren Zeichen eine Menge einzelner
Gemähide von nationalen Vorstellungen, wo-
durch der Gehalt theils sinnlicher, theils be-
sonders intellectueller Ideen und das Charakte-
ristische in Auffassung von beiden dargestellt
wird. Demnach mufs jede ihrer Absicht eini-
germafsen genügende Sprache gewisse Classen
von Ideen darbieten, die nach der physischen
und sittlichen Individualität des Volkes, wel-
ches sie bildete, vorzüglich bearbeitet, vervoll-
kommnet und mit angemessenen Ausdrücken
bezeichnet sind. In der Art der Bezeichnungen
aber liegen nicht geringere Schätze als in den
Zeichen selber. Denn, wie die letztern in je-
der Sprache den Forscher mit neuen Vorstel-