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Kulturwissenschaftliche Bibliographie zum Nachleben der Antike: d. Erscheinungen d. Jahres ... — 1.1931 (1934)

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https://doi.org/10.11588/diglit.50163#0075
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Mathematik

39

auch die neuere Geometrie bei Pappus
ihren Anfang nimmt. K. V.
133 WEYL, HERMANN, Die Stufen des Un-
endlichen. Vortrag. Jena: Fischer. 19 S.
Vier Stufen der Arithmetik werden mit
Bezug auf das Unendlichkeitsproblem un-
terschieden :
1. Einzelne, konkrete Urteile, wie 3 > 2,
welche sich unmittelbar und aus-
schließlich auf aktuell gegebene Zahl-
zeichen beziehen.
2. Urteile von hypothetischer Allgemein-
heit, die den Bereich des aktuell Ge-
gebenen zwar nicht überschreiten, sich
auf ihn aber doch nur in konditionaler
Form beziehen; etwa: Liegen irgend
zwei Zahlzeichen a, b vor, so ist ent-
weder a > b oder a = b oder schließ-
lich a < b.
3. Urteile, welche die aktuell vorkom-
menden Zahlen einbetten in die Reihe
aller möglichen Zahlen, wobei
„Möglichkeit" aufgefaßt wird als eine
ins Unendliche offene Mannigfaltig-
keit.
4. Urteile, die den „gefährlichen Schritt"
wagen, „nach dem Vorbild der plato-
nischen Ideenlehre das Mögliche in
ein transzendentes und absolutes, un-
serer schauenden Einsicht in seiner
Totalität natürlich unzugängliches
Sein zu verkehren."
Die auf der dritten Stufe vorausgesetzte
Spannung zwischen „Sein" und „Möglich-
keit", „Aktualität" und „Potentialität",
wird für die Mathematik, weil für alle
menschliche Besinnung und Handlung
überhaupt, als fundamental angesehen. Da-
her werden diejenigen Versuche, die, der
vierten Stufe entsprechend, „das ins Un-
endliche offene Feld der Möglichkeiten" in
ein geschlossenes Reich absoluter Existenz
verkehren wollen, einer eindringlichen Kri-
tik unterzogen: dazu gehören die atomi-
stischen Versuche, das Kontinuum aus
zählbaren diskreten und teilbaren Ele-
menten aufzubauen; die Infinitesimal-
methode, sofern sie das unendlich Kleine
nicht „potentiell", im Sinne des Grenz-
prozesses, versteht; die Mengenlehre in der
Cantorschen Form ihres Aufbaues; und
schließlich der Hilbertsche Versuch, die
Spannung von Sein und Möglichkeit durch
radikale Formalisierung der Mathematik zu

überwinden, wodurch alles mathematische
Denken sich in ein an feste Regeln ge-
bundenes Spiel mit Zeichen und For-
meln verwandeln würde.
Die Überlegungen verbleiben keineswegs
in einem luftleeren mathematischen Raum,
sondern sind getragen von dem Bewußt-
sein einer historischen Tradition, in der sie
sich ihre Stelle selbst anzuweisen suchen.
„Die Spannung zwischen dem Endlichen
und dem Unendlichen für die Erkenntnis
der Wirklichkeit fruchtbar gemacht zu
haben, ist die große Leistung der Griechen."
An dem Gegensatz zwischen Anaxagoras
und Demokrit wird daher die Antinomie
des Kontinuums vomVerf.zuerst entwickelt.
Von Aristoteles empfängt er das Stichwort,
das die Lösung herbeiführt: die Unter-
scheidung von Aktualität und Potentiali-
tät. Auch im weiteren Verlauf der Analyse
wird auf die antiken Vorbilder (Pythagoras,
Zeno, Platon) fortwährend zurückverwie-
sen, —- für die Kritik der Infinitesimal-
methode vor allem auf die Einwände des
Eudoxos.
Ihre Bedeutung für die vorliegende Bi-
bliographie erhält die Abhandlung aber
nicht allein durch ihre historische Selbst-
kritik, kraft welcher sie ihre eigenen Ent-
scheidungen rechtfertigt durch den Hin-
weis auf die vorgeformten Theorien der An-
tike, sondern, darüber hinaus, durch ihr
Bekenntnis zu einer Religionsauffassung,
für die die Konflikte des mathematisch-
physikalischen Denkens nur ein partieller,
wenn auch besonders prägnanter Ausdruck
des symbolischen Verhaltens überhaupt
sind. E. W.
Proportionslehre siehe Nr. 123—126.
2. Überlieferung antiker
Mathematik
VOGEL, KURT, Eine neue Quelle ältester 134
griechischer Algebra. In: Zs. math.
natwiss. Unterr. 62, S. 266—271.
Die Aufgaben des Papyrus Michigan
620 (aus der Zeit vor Diophantos) enthalten
eine bisher nicht bekannte algebraische
Symbolik. K. V.
AGOSTINI, AMADEO, Notizie sul ricu- 135
pero dei libri V, VI, VII delle „Coniche“
di Apollonia. In: Periodico Mat. 4, 11,
S. 293—300.
 
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