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des Geistes durch Gelehrsamkeit folgte nun auch die des ästheti-
schen Geschmacks durch vornehme Uebung in „amusement" und
„conversation". „Und es konnte nicht ausbleiben, daß weibliche
Anmut, wo sie mit hohem Rang und geistiger Würde sich verbün-
dete, die Kultur der Epoche beherrschte." (Wechssler.) Im Auftrag
fürstlicher Frauen schufen die Troubadours ihre Minnelieder und
auch deutsche Sänger betonen, daß das Gebot der Dame ihre Kunst
beherrsche: Walther 109/1:
„Ganzer freuden wart mir nie so wol ze muote
Mirst geboten, daz ich singen muoz.
Saelic si diu mir daz wol verste ze guote!
Mich mant singen ir vil werder gruoz."
Morungen M. F. 123/18:
„Ir tuot leider we al min sprechen und min singen
Des muoz ich an freuden mich nu twingen
Unde trüren, swar ich ge.
Waer ir mit mime gesange
Wol, so sunge ich ir.
Sus verbot siz mir:
Wan ir tuot min swigen baz."
Das begründet mit den eigentümlichen Vasallitätscharakter der
Minne. Ritter und Frouwe gehen sozusagen ein gegenseitiges
Treue- und Huldverhältnis ein. Der Mann ordnet sich unter in
staetem Liebesdienst, die Frau gewährt ihm ihre Mulde.« Dem ent-
sprechen die im Minnesang so geläufigen Vasailitätstermini: „holt
sin, dienen, dienest, eigenliche dienen, eigen sin, eigenliche under-
tän sin;" etc. Das Minneverhältnis wird eben durchaus unter dem
Bilde des Herrendienstes gefaßt. In dieses feste Schema ist die
Darstellung der Liebesbeziehung gezwängt. Dem persönlichen Er-
leben oder Bekennen bleibt kein Raum. Die Liebe, das tiefste Er-
lebnisgut der Seele, ist dem Minnesang zum Gemeingut begriff-
lichen Denkens geworden. Jedem Minnesänger ist daran gelegen,
darzutun, daß er „ein regelmäßiges Verhältnis in der Gestalt des
Dienstes durchzuführen verstehe." Neben und über dem Indivi-
duum ist die Gesellschaft bestimmend. Der Minnesänger arbeitet
ideell nach feststehenden Vorbildern, er gestaltet nicht einmalige
Urbilder seines eigenen Innern. Die Minne hat mit Liebe eigent-
lich nichts zu tun. Sie besteht als ein selbständiges Stück Konven-
tion neben der Liebe und spiegelt pedantisch treu die gesellschaft-
lichen Beziehungen wieder. Frauenverehrung ist. eine allgemeine
Anstandsregel, der sich jeder Ritter mit mehr oder weniger innerer
Echtheit unterwirft. Galante Komplimente sind Selbstverständlich-
keiten. Der naturhaft sinnliche Ursprung ist verloren. Die Minne
ist ins rein Gedankliche verblaßt. Statt erotischer Leidenschaft be-
gegnet Frauendienst, Kult, dem man sich, wie einer fixen Idee mit
fanatischem Eifer hingibt. Ideen und Ideale allgemeiner Art be-

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