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Das Verhältnis der Geschlechter in der Liebes-
darstellung des Minnesangs.
Auch der Liebesbeziehung von Ritter und Frouwe liegt eine
feste Vorstellung zugrunde: die Liebe des Mannes ist Dienst; sein
werbendes Bemühn um die Gunst der Geliebten wird zwangsläufig
als eine Bewegung von unten nach oben betrachtet. Die Geliebte
erscheint als „Frouwe", der Liebende als ihr Sklave. So ist die
Darstellung des Liebesverhältnisses an die fixe Idee eines unbe-
dingten Uebereinander der Geschlechter geknüpft. Minnesang ist
eben eine grundsätzlich galante Dichtung.
Die allgemeine Frauenverachtung des Altertums ist bekannt.
Bei Germanen, Römern und Juden war die Frau rechtlich und so-
zial dem Manne untergeordnet. Das Christentum brachte mit seiner
Lehre der Gleichheit aller Menschen vor Gott die grundsätzliche
Gleichstellung von Mann und Frau zum mindesten in der Theorie.
Aber diese Höherwertung der Frau wich in der asketisch-dualisti-
schen Weltanschauung der mittelalterlichen Kirche einer grund-
sätzlichen Geringschätzung. Man sah im Weib geradezu ein Werk-
zeug des Teufels, um die Menschen zu Sünde und Verdammnis zu
verlocken, „omnium malorum origo mulier" war die herrschende
Anschauung. „Die Schmähschriften auf die Frauen bildeten im
Mittelalter eine große Literatur für sich." Jedoch in der Feudalifät
errang die Frau eine höhere, rechtliche und soziale Stellung. In
söhnelosen Familien gewannen hier auch die Töchter unbestrittenes
Erbfolgerecht. Alienor von PoitoteTührte selbständig die Verwal-
tung ihres Herzogtums Aquitanien. „Diese Fürstinnen führten,
freilich mit Hilfe ihrer Beamten, die Regierung in Frieden und
Krieg, sprachen Recht und zogen sogar zu Felde. Sie empfingen
den Lehenseid ihrer Vasallen und handhabten das übliche Zeremo-
niell mit seiner Symbolik." (Wechssler.) Die Frau war also faktisch
„Frouwe“ geworden. Sie bildete einen Hofstaat ganz nach ihren
persönlichen Neigungen. Die Voraussetzungen für eine spezifisch
weibliche Bildung waren damit gegeben. Feingebildete Frauen und
Mädchen wurden tonangebend im gesellschaftlichen Leben; sie
waren die Vorbilder und Gesetzgeberinnen der neuen höfischen.
Sitte. So entsprang aus frauenhafter Bildung jene feine höfische
Geselligkeit des Minnesangs. Dieser Einfluß der Frauenbildung
auf den Mann konnte um so nachhaltiger und wirksamer sein als
die vornehme Dame jener Zeit an Geist und Geschmack dem Manne
zweifellos überlegen war. Während die ritterliche Ausbildung des
Mannes im Waffenführen, Reiten, Schwimmen und Hochjagd die
ganze Jugendzeit erforderte, eigneten sich die Frauen um so eifriger
unter Anleitung geistlicher, später auch weltlicher Lehrer die ge-
lehrte Bildung der Zeit an. An den galanten Frauenhöfen trat der
Geistliche allmählich hinter dem Minnesänger zurück. Der Bildung

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