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sentlich in einer fortschreitenden Vergesellschaftung der Liebe dar.
Schon in den frühesten Liedern ist dieser gesellschaftliche Einfluß
spürbar. Im eigentlichen höfischen Minnesang ist er der ausschließ-
lich bestimmende Faktor. Freilich da und dort scheint das per-
sönliche Erleben durch, steigert und überstrahlt die im Modeton
befangene Sprache, durchglüht und verlebendigt das überlieferte
Schema typischer Motive und fester Termini. Bei den Größten
vollends,.bei Morungen, Wolfram und Walther erscheint das All-
gemein-Alltägliche hinaufgeadelt zum Persönlich-Besonderen, er-
scheint alles Typische in individueller Prägung.
Meinloh von Sevelingen bezeichnet den entscheidenden Beginn
in der Vergesellschaftung der Liebe. Diese bekundet sich nach ver-
schiedenen Seiten.
1. Die Liebeserklärungen sind ganz durchsetzt mit allgemeinen
Weisheitssätzen.
„swer werden wiben dienen sol, der sol semelichen varn..
ob er sich wol ze rehte gegen in künne bewarn,
so muoz er under wilen seneliche swsere tragen
verholne in dem herzen, er sol es niemanne sagen etc.“
Üeberall, selbst in den Versen der eigentlichen Liebeskundgebung,
wird phrasenhaft üppig gegeistelt und vernünftelt: „Dö ich dich
loben hörte, dö het ich dich gerne erkant etc. etc."
2. Das Liebesverhältnis ist durch die höfische Gesellschafts-
etikette bestimmt: „dir enbiutet slnen dienest, dem du bist frouwe
als der lip." Dieses Dienen ist nicht mehr wie in den Namenlosen
Liedern oder beim Kürenberger die mehr oder minder zufällige,
äußere. Form, sondern der charakteristische Wesenszug der Minne.
Die dauernde Bezugnahme auf die „merkaere" bekundet gleichfalls
das Hineingestelltsein dieser Liebe in eine gesellschaftliche Umwelt,
der sie zutiefst verpflichtet ist: „so we den merkaeren! die habent
rnin übele gedäht etc." „mir erwelten mlnlu ougen einen kinde-
schen man. daz nident ander frouwen." etc. Solche Hinweise zei-
gen klar: diese. Liebe ist nicht eigenständig selbstgenugsam, sie ist
verfangen in einem Netz gesellschaftlicher Beziehungen..
3. Der ausgeprägt gesellschaftliche Charakter bedingt, daß der
erklärten Frauenliebe hier kein so breiter Raum mehr bleibt. Der
herrschenden Konvention entsprechend muß eben stets der Mann
als der Werbende erscheinen. So finden sich bei Meinloh unter
12 Strophen nur 3 Frauenstrophen. Aber in den Namenlosen Lie-
dern begegnen von 9 Strophen 4 Frauenstrophen, und beim Küren-
berger sind mehr als die Hälfte Frauenstrophen (8 von 14). In der
eigentlichen höfischen Minnedichtung aber beginnt die Frau der
sinnlichen Wahrnehmung mehr und mehr zu entschwinden. Sie
verliert ihre, spezifisch sinnliche Gestalt und wird vergeistigt zur
Idee eines mit allen Kräften anzustrebenden,, hohen, schwer erreich-
baren Zieles.; sie wird Idol. Die Minne ist eben Gemeinschaf ts-

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