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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 60.1943/​1948

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Henche, Albert: Die Dienstentlassung Ibells
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https://doi.org/10.11588/diglit.62668#0099
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Die Dienstentlassung Tbells 91

so daß Ibell im Anfang des Jahres 1815 seine Hand schwächer werden fühlte
und die „stärkere“ Marschalls „mit Sehnsucht‘ herbeiwünschte. 2? Doch über-
wand er, auf» und angeregt durch den fortgehenden Streit mit Neuwied und
Braunfels ?, seine Depression und konnte im April 1815 an Marschall schrei-
ben, daß er sich gottlob nie so gesund und stark gefühlt habe wie derzeitig.
Den bekannten Kampf mit dem „Rheinischen Merkur“ Görres’ hat er mit über-
legener Kraft aufgenommen ** und in einer bis auf die Redaktion der Einzel-
texte der vielen Gegenpublikationen von ihm selbst geleisteten Kleinarbeit
monatelang mit Feuereifer durchgeführt. ? Erst als die benachbarten Staaten
Hessen und Frankfurt seine eifervolle Bekämpfung der „Teutschen Gesell-
schaften‘ nicht unterstützten 2°, wie er es erbeten und erwartet hatte, ziehen
wieder Schatten des Unmuts über die brieflichen Aeußerungen Ibells an
Marschall, Allmendingen ?? u. a. Doch zerstreute Marschalls Rückkehr bald
auch diese Stimmungsschwäche des Präsidenten, und Ibell ist das Jahr 1815
hindurch zuversichtlich.

Der Regierungsantritt des Herzogs Wilhelm im März 1816 brachte eine
starke Aenderung in bezug auf die persönliche Teilnahme des Regenten an der
Staatsarbeit, die der alte Friedrich August ?® ganz seinem Minister überlassen
hatte. Aus dem Briefwechsel des neuen Herzogs mit Marschall läßt sich vor
allem -der Wunsch erkennen, die Rolle des Serenissimus nicht nur repräsen-
tativ zu spielen. ? Dazu war Wilhelm eingestandener Maßen „kein Freund
der Konstitution in -Nassau‘“. Dem Absolutisten konnte Ibell nicht mit der-
selben Wärme zugetan sein wie dem „guten Herrn“ Friedrich August, zu-
mal der junge Wilhelm nicht gerade für Bürgerliche unter seinen „Staats-
dienern‘“ Neigung zeigte. ® ;

Als nun am 5. 6. 1816 die Gemeindeordnung *! einen gewissen Abschluß
der Ibellschen Reformen herbeigeführt hatte, glaubte der Präsident Veranlas-
sung zu folgendem Brief an den Minister zu haben. — Unter dem 26. Juni
1816, demselben Datum, unter dem Steins Beschwerdeschrift ?? ausgefertigt
war, ohne bereits überreicht zu sein, schrieb Ibell an Marschall wörtlich: ®

„Euer Excellenz hatte ich schon vor einiger Zeit 34 meinen Wunsch, von der
Bühne des öffentlichen Lebens abtreten zu können, in untertänigem Vertrauen zu er-
öffnen Veranlassung. Dieser Wunsch ist seitdem durch fortgesetzte Beobachtung und
Selbstprüfung zu unwiderstehlicher Sehnsucht gesteigert worden, die es mir zum Be-
dürfnis macht, ihn E. Exz. nochmals mit den Gründen, worauf er beruht, zur Prüfung
und näheren hochgeneigten Erwägung untertänigst vorzulegen. E. E. waren von der
Vorsehung dazu bestimmt, die Landesteile, woraus unser Herzogtum besteht, zu
einem Ganzen zu vereinigen. 35 Diese Einheit fand sich eine geraume Zeit hindurch
fast nur allein in dem unbegrenzten Zutrauen der beiden Regenten gegen E. E. Person,
und desto wichtiger war es, unter allen Verhältnissen darauf hinzuarbeiten, daß die
Dauer dieses Zustandes wegen der herrlichen Folgen, die für das regierende Haus
und seine Untertanen damit verbunden sind, durch Institutionen und Gesetze begründet
wurde, welche dem Wunsche der Zeit und der Ereignisse zu widerstehen vermögen.

—_ E. E. hatten vom Jahre 1804 an diese Bestimmung erkannt, und Sie haben keinen
Moment versäumt, wo durch vorherrschende Klugheit, durch unbeugsame Kraft im
Handeln und durch geschickte Benutzung des Augenblicks die Aufgabe ihrer endlichen
Lösung näher gebracht werden konnte. Und — so ist das Werk zur Vollendung’ ge-
diehen mit unendlich viel schnellerem Fortschreiten zuletzt 37 als anfangs die kühnste
Voraussetzung erwarten durfte. ;

Das alte Haus unserer Fürsten steht‘ hocherhaben, glänzend ausgezeichnet und
in einer verhältnismäßig vollkommenen, gänzlich gesicherten Unabhängigkeit unter
den regierenden Familien Deutschlands. Das Herzogtum ist der schönste unter den
Mittelstaaten Deutschlands; es bietet ein abgerundetes, gänzlich geschlossenes Staats-
gebiet dar, dem eine von allen bekannten Staaten unserer Zeit abweichende, auf das
nach Zeitgeist und Volkscharakter abgemessene eigentümliche Bedürfnis gegründete
Regierungsverfassung und Verwaltung gegeben ist, welche in ihrem Fortgang unter
günstigen äußeren Konjunkturen Fürsten wie Land zur Hoffnung der schönsten Erfolge
berechtigt. Die Finanzen sind durchaus und in jeder Beziehung auf Einnahmen, Aus-
gaben und Kontrolle wohl geordnet. 3 Der öffentliche und Privatkredit des Landes
ist durch. vieljährig bewährte Gesetze und Einrichtungen auf unerschütterlichen Grund-
 
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