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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 48.1888

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Caspar Bosshardt
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IV. Die Jahre der Reife
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V. Ideal und Wirklichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.43107#0033
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Am 22. Juli 1476 stand das eidgenössische dein burgundischen Heer in der Nähe von Murten
gegenüber, zum Angriff bereit. Die Schaar unter Hallwyl kniete auf einer Anhöhe nieder zum Gebet.
Da brach die Sonne durch schwere Wolken. Der Feldherr, hoch sein Schwert, rief emporspringend:
Auf! Biderbe Männer. Gott will uns leuchten! Er schritt zum Angriff. Diese Scene ist die vom Künstler
dargestellte. Ein Theil des Haufens kniet noch; der andere, Hallwyl voraus, vom Zwielicht bestrahlt,
hat sich in lebhafter Bewegung erhoben.
Warum muthet den Beschauer, was er vor sich sieht, erst so fremdartig, ja räthselhaft au, lässt
ihn im Zweifel über die Erklärung? Wir glauben desshalb, weil der Künstler das einfache Motiv
verliess und es nach seinen vorhin angeführten Worten eigenartig behandelte. Man hat hier weniger
das Vorgehen schlichter Krieger vor sich, welche nach dem üblichen Schlachtgebet dem Rufe des
Anführers Folge geben und in entschlossene Handlung treten. Viel eher glaubt man einer Art Ekstase,
Verzückung der beleuchteten Gruppe anzuwohnen, welche erregt, geblendet nach der Lichterscheinung
sich kehrt, wie wenn dorther eine überraschende Offenbarung käme.
Der Künstler im Allgemeinen erlebt es fast bei allen seinen Schöpfungen, dass die Meinungen
darüber sich theilen. Die eine ist voll Lob, die andere tadelt und bemängelt. Gleiche Spaltung zeigte
sich in Basel. Das ruhige Urtheil lautete aber dahin: «Das Bild gewinnt entschieden, wenn man es
länger ansieht.» Und so verhält es sich. Allein der Maler hatte es sonst mit Grund gerügt, wenn der
Künstler bei Darstellungen aus der Vergangenheit etwa von der zum Typischen gewordenen Volks-
Vorstellungsweise über Handlung oder Persönlichkeit abwich. Denn seiner Meinung nach begibt er sich
damit für die ungetheilte Wirkung des Werkes von vorneherein des mächtigen und durchschlagenden
Bundesgenossen: Der Überlieferung. Hier ging Bosshardt mit etwas Ausgesuchtem selbst davon ab.
Auch später bei «Zwingli» wurde er mit dessen idealisirtem Kopfe jener Regel ungetreu und beein-
trächtigte zum Theil den Eindruck. Dessenungeachtet enthält « Hallwyl» so viel Originelles und so
manche Vorzüge im Einzelnen, dass der Werth zweifellos ist, und die Schöpfung dem Maler zum
bleibenden Verdienste gereicht.
V. Ideal lind Wirklichkeit.
Der Künstler, noch getragen von den Jugendidealen, erblickt sich auf heller, sonniger Höhe,
umschwebt von dem Schattenriss seiner künftigen Gestaltungen, als ebenso vielen Verkündern
seines Ruhms. Aber er entgeht nicht der Schwere, die sich an das «Erdenwallen» eines Jeden
heftet, dem Zwiespalt zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ist es nicht wie einst in der Fabelwelt ein
Kampf mit Riesen, so doch nicht minder ein Kampf ums Dasein. Widerstrebende Elemente gibt es
von Aussen und Innen. Der Ruhm hat seine zwei Seiten. Die eine trägt wohl ein, die andere nicht
weniger aus. Und was dem Einen glückt, versagt beim Andern die Gunst.
Auch Bosshardt hatte mit Erfolg und Nichterfolg, auf idealem wie practischen Gebiet, zu kämpfen.
Dass er muthig und standhaft sein künstlerisches Glaubensbekenntniss vertrat, beweist die Nachhaltigkeit
seines innern Feuers und die Unerschütterlichkeit seiner Überzeugung. Sie können die Achtung für
den Maler nur erhöhen, Es hiesse aber dem Lebensbild Eintrag thun, wenn wir den Leser nicht sym-
pathisch auch an den Mühen Antheil nehmen liessen, welche Bosshardt nicht erspart blieben.
 
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