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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen (8) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.42423#0257
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Dei Neckar. Bote erscheint
ivüchenltich zweimal, Dienstag»
u. Freitag» DerAdonnemeni»-
prei» beträgt für ei» Jahr i st.
36 kr., für et» halbe» Jahr 5/,
kr., für ein Vierteljahr 3o kr.

Neckar-Bote.

Dienstag, den 23. Juli 1844.

Die <kinrückung»gebühr für die
gespaltene Zeile oder deren
Raum beträgt 2 kr. Bei An-
zeigen, worüber dir Expedition
Lluskunft crthcilt, 3 kr.

Vuntes aus der Leit.
In Algier ist das Gerücht verbreitet, daß sich eng-
lische Comwissäre von einem Stamm zum ankern be-
geben, um sie gegen die Frauzosen aufznreizen; sie wä-
ren von Marabouts begleitet, welche den heiligen Krieg
predigten nnd die Hilfe Englands und Marokkos ver-
heißen. Der Kaiser von Marokko soll Abd-el-Kader
den Befehl über seine Truppen anvcrtraut haben.
In der vorigen Woche fiel in Prag abermals ein
neuer weit ernsterer Tumult vor. Die Eisenbabnarbei-
ler ließen plötzlich ihre Arbeit liegen nnd zogen in Hau-
fen in die Stadt, nm höheren Arbeitslohn zu erzwin-
gen. Hier fanden sie sammtliche Thore mit Militär
besetzt und fingen nun au, diese zu stürmen, so daß
der kommandirende Osficier Feuer geben ließ. Mehrere
Tumultuanten wurden mehr oder weniger verwundet.
Unglücklicherweise drang eine Kugel durch das Fenster
eines nahegelegenen Hauses und tödtcte das 4jährige
Kind eines Kaufmanns am Tische; ebenso wurde auch
ein Kutscher vom Bock heruntergcsckosseu, der den fol-
genden Tag starb. Erst spät gelang es dem Militär,
die Ruhe wieder herzustellen.
Der neue Gcneralgouverneur von Indien, Sir Henry
Hardinge, ist in Alexandrien von Mebemct Ali auf
das freundlichste empfangen worden, und soll'denselben
bestimmt haben, eine Eisenbahn zwischen Suez und
Eairo anzulcgen.
Die neapolitanische Regierung will die in Ealabrien
eingefangeneu Insurgenten mit Nachsicht behandeln, da-
mit sie sehen sollen, wie wenig man sich vor ihnen
fürchtete. Aber Oestreich wird seine in die Expedition
verwickelten Uuterthanen rcklamiren und »Munkatsch
ist ein schönes Scblößlein.«
Sue bekommt für seinen ewigen Juden vom Cvnsii-
tutionel 200,060 Franken, von einem Pariser Buch-
händler, dem er das Recht übertragen bat, den Ro-
man 10 Jahre lang ausschließlich zu verkaufen 1 «0,000
Franken, und von Kollmann in Leipzig für dasselbe
Privilegium für Deutschland 6000 Franken. Es wird
1 V, Jahr dauern bis der Roman vollständig erschienen
ist. — Der Buchhändler O. Wigand in Leipzig bat
von seiner Uebersetzung der Pariser Geheimnisse in nicht
ganz anderthalb Jahren 30,000 Exemplare verkauft.
Der Vertrag mit dem deutschen Zollverein ist von
dem Senat der nordamerikanischen Staaten allgemein
verworfen worden.

Freudenreich und Dolorosus.
(Fortsetzung.)
Unterdcß war der Kellner hcraufgekommen rind
hatte gemeldet, daß angcrichlct wäre. Der reiche
Mann, der sich schon am Morgen in ein Kleiber-
magazin und daselbst in einen sehr modernen Frack
begeben, ihn seht aber der Hitze wegen abgelegt
hatte, fuhr hinein und dann hinunter an die talste
ck'trötL, Wie verschieden von dem bescheidenen Spei-

schause in seinem kleinen Städtchen fand er es hier!
Dort ein kleines, enges Zimmer, die Speisen kaum
hinreichend, um des einstigen Kanzclistcn Magen
nothdürftig zu füllen, die Gesellschaft bestehend aus
ihm, dem Registrator, dem Accisc-Controleur-Sub-
stituten und allenfalls noch aus .einem oder dem an-
dern durchreisenden Handwerksmanne, — und nun
trat er hier in einen geschmackvoll dccorirten Saal,
in welchem sich eine lange Tafel, elegant servirt,
ansdchnte, eine Menge Gaste , die, den strengsten
"Anforderungen eines Gourmands genügenden Spei-
sen,— die mit einem Dutzend ausländischer Namen
benannten Weine, die in den geschlissenen Krystall-
gläscrn funkelten nnd glühten, alles dieses ver-
setzte unscrn Reisenden in eine Befangenheit, die
nur dann wich, als er einige Gläser feurigen Bur-
gunders hinuntergcschlürst. Neben ihm saß ein ha-
gerer Mann, ungefähr zwischen den vierziger und
fünfziger Jahren, in schwarzer Kleidung, die Brust
mit einem rothcn Kreuze — wie Ludwig erfuhr —
dem päpstlichen Orden des goldenen Sporns geziert.
Mit ungezwungener Behendigkeit hatte dieser sich
allmälig der ganzen Unterhaltung bemächtigt, so
daß er dorihin scharfe Witzworic sendend, hierhin
plötzlich wieder das begonnene ernste Gespräch fort-
führte und dann wieder mit einem Dritten Gewöhn-
liches und Alltägliches unterhandelte. Er war, wie
die braune Gesichtsfarbe, das IcbendigeMienenspiel,
das schwarze, krause Haar, die dunkeln Feueraugen
zu erkennen gaben, ein Italiener und zwar aus
Neapel, wohin er, wie er dem russischen Fürsten,
der ihm gegenüber saß und von dorther kam, ver-
traute, jetzt nach mehrjähriger Abwesenheit wieder
zurückzlchcn wollte.
— Ich beneide Sie, sprach der Russe, ich beneide
Sic, Marchese Cassini, um die Reise zu dem irdi-
schen Paradiese! Mit den Persern soll ich mich
hcrumschlagen, obgleich ich lieber auf der Höhe des
Pausilipp unter dunkeln Orangcnlauben in den wei-
chen Armen einer Ihrer Landsmänninnen ruhen
möchte. Auf Ehre!
— ?er dacco! antwortete der Italiener, indem
ein faunischcö Lächeln über seine Züge flog, per
bucec»! das glaub' ich ohne Ihren Schwur. Nun,
es leben die holden Schönen meines Vaterlandes!
fügte er hinzu, dem Russen das Glas hinhaltend.
Dieser, augenscheinlich lieber an die erfreuliche Ver-
gangenheit, wie an die unerfreuliche Zukunft denkend,
säumte auch keineswegs, der Aufforderung zu ge-
nügen und mit dem Glase anklingend, sprach er mir
einem Seufzer, der seiner wohlbeleibten Brust ent-
quoll: Vivant die herrlichen Neapolitanerinnen!
 
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