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Mineralien mit zur Verwendung, und für gewisse Kuriositäten nahmen die Drechsler
wohl auch die Mithülfe von Glasbläsern und Glasschleifern in Anspruch.
Sehr mannigfaltig sind die Arbeiten der Kunstdrechsler. Eine erste Gruppe
bilden die eigentlichen Drechsler-Kunststücke, bei denen die Form Nebensache, die
Überwindung technischer Schwierigkeiten, die Ausführung von scheinbar unmöglichen
Dingen die Hauptsache war; Kunststücke, die ohne Frage grosse Geschicklichkeit und
Ausdauer voraussetzen, auch dem Scharfsinn des Erfinders alle Ehre machen. Hieher
gehören die « in einander gedrehten Kugeln », d. h. aus einem Stück gedrehte,
ineinander geschachtelte, durchbrochene Hohlkugeln, bis zu sechs und mehr an der
Zahl, die innerste vielleicht noch von einem Dreifaltigkeitsring umgeben, jedenfalls
aber an Stelle der Löcher mit verzierten Stacheln bespickt, die durch alle Kugeln
hindurch weit nach aussen hervorragen. Ein solcher Körper kam auf ein Stativ zu
stehen, etwa eine rund oder eckig gedrehte Säule, um die sich in Spiralen ein ringsum
abstehendes Band herumschlingt, und war vielleicht gekrönt mit einer «Wendeltreppe »
d. h. einer grossem Zahl von wendeltreppenartig übereinanderliegenden runden oder
ovalen Scheiben, die durch excentrisch angebrachte, verzierte Säulen verbunden sind;
alles jeweils wie es die Kunst verlangt, aus einem Stück gedrechselt. Hieher zähle
ich auch die mit mancherlei schwierigen Abwechslungen aus einem Stück gedrech-
selten Ketten und die Dreifaltigkeitsringe, auf deren vollkommene Ausführung sich
auch noch Spengler etwas zu gute that.’)
Eine Abart dieser Kunststück-Drechslerei ist die Kleinigkeits-Drechslerei, in der
Unglaubliches geleistet wurde. Ein gewisser Hautscher soll gut geformte Becherchen
mit klappernden Ringen um die runden Füsse gedreht haben, von denen hundert in
einem Pfefferkorn Platz hatten. Daran schliesst sich die Kleinigkeits-Schnitzerei, eine
Verirrung, deren sich gleichfalls einzelne Kunstdrechsler schuldig machten. Ein Kapital-
stück der Art beschreibt Doppelmayr. Es ist ein Federmesser, das der Kunstdrechsler
Pronner 1606 dem Erzherzog Ferdinand verehrte. Das Heft, das mit zwei Deckeln
geschlossen war, enthielt dreizehn elfenbeinerne Kästchen, die mit Hunderten von
Kleinigkeiten gefüllt waren. Auf der Innenseite der von Zierraten durchbrochenen
Deckel war der erste Vers des 117. Psalms in einundzwanzig Sprachen, sowie der
Glauben und das Vaterunser zu lesen (oder vermutlich nicht zu lesen!). In einem der
Kästchen lag eine Geldkasse mit geheimem Verschluss, die hundert mit F geprägte
Goldstücke enthielt; ein Kirschkern war mit zwei Dutzend zinnernen Tellern, einem
Dutzend Messern, die Klingen aus Stahl, die Hefte von Holz, und mit einem Dutzend
Löffel aus Buchsbaum angefüllt. Auch wirkliche Haarspalterei ward hier getrieben.
Das Haar von einem kleinen Knaben war « zum öfteren durchlöchert, und mit denen
zu beeden Enden in 4. Theil gespaltenen Haartheilen hindurch gefahren, ja gar ein
dergleichen Haar in 8 Theile zertheilet auf einem schwarzen Papier mit der Anschau-
enden grössten Bewunderung zu sehen. »* 2)
x) Die Dreifaltigkeitsringe sollen von einem Jesuiten Scherer in Ingolstadt erfunden worden sein.
Sie bestanden ursprünglich aus einem einzigen Draht, der mit den nötigen Umschlingungen dreimal im
Kreise herumgeführt wurde und dessen Enden akkurat zusammengelötet waren. Es war das nicht genau
das gleiche, wie die gedrechselten Dreifaltigkeitsringe, die aus drei umeinander geschlungenen, von ein-
ander getrennten, aber aus einem Stück Elfenbein herausgearbeiteten Ringen bestanden.
2) Natürlich haben sich schon damals manche Leute gefragt, welchen Wert denn die Herstellung
Mineralien mit zur Verwendung, und für gewisse Kuriositäten nahmen die Drechsler
wohl auch die Mithülfe von Glasbläsern und Glasschleifern in Anspruch.
Sehr mannigfaltig sind die Arbeiten der Kunstdrechsler. Eine erste Gruppe
bilden die eigentlichen Drechsler-Kunststücke, bei denen die Form Nebensache, die
Überwindung technischer Schwierigkeiten, die Ausführung von scheinbar unmöglichen
Dingen die Hauptsache war; Kunststücke, die ohne Frage grosse Geschicklichkeit und
Ausdauer voraussetzen, auch dem Scharfsinn des Erfinders alle Ehre machen. Hieher
gehören die « in einander gedrehten Kugeln », d. h. aus einem Stück gedrehte,
ineinander geschachtelte, durchbrochene Hohlkugeln, bis zu sechs und mehr an der
Zahl, die innerste vielleicht noch von einem Dreifaltigkeitsring umgeben, jedenfalls
aber an Stelle der Löcher mit verzierten Stacheln bespickt, die durch alle Kugeln
hindurch weit nach aussen hervorragen. Ein solcher Körper kam auf ein Stativ zu
stehen, etwa eine rund oder eckig gedrehte Säule, um die sich in Spiralen ein ringsum
abstehendes Band herumschlingt, und war vielleicht gekrönt mit einer «Wendeltreppe »
d. h. einer grossem Zahl von wendeltreppenartig übereinanderliegenden runden oder
ovalen Scheiben, die durch excentrisch angebrachte, verzierte Säulen verbunden sind;
alles jeweils wie es die Kunst verlangt, aus einem Stück gedrechselt. Hieher zähle
ich auch die mit mancherlei schwierigen Abwechslungen aus einem Stück gedrech-
selten Ketten und die Dreifaltigkeitsringe, auf deren vollkommene Ausführung sich
auch noch Spengler etwas zu gute that.’)
Eine Abart dieser Kunststück-Drechslerei ist die Kleinigkeits-Drechslerei, in der
Unglaubliches geleistet wurde. Ein gewisser Hautscher soll gut geformte Becherchen
mit klappernden Ringen um die runden Füsse gedreht haben, von denen hundert in
einem Pfefferkorn Platz hatten. Daran schliesst sich die Kleinigkeits-Schnitzerei, eine
Verirrung, deren sich gleichfalls einzelne Kunstdrechsler schuldig machten. Ein Kapital-
stück der Art beschreibt Doppelmayr. Es ist ein Federmesser, das der Kunstdrechsler
Pronner 1606 dem Erzherzog Ferdinand verehrte. Das Heft, das mit zwei Deckeln
geschlossen war, enthielt dreizehn elfenbeinerne Kästchen, die mit Hunderten von
Kleinigkeiten gefüllt waren. Auf der Innenseite der von Zierraten durchbrochenen
Deckel war der erste Vers des 117. Psalms in einundzwanzig Sprachen, sowie der
Glauben und das Vaterunser zu lesen (oder vermutlich nicht zu lesen!). In einem der
Kästchen lag eine Geldkasse mit geheimem Verschluss, die hundert mit F geprägte
Goldstücke enthielt; ein Kirschkern war mit zwei Dutzend zinnernen Tellern, einem
Dutzend Messern, die Klingen aus Stahl, die Hefte von Holz, und mit einem Dutzend
Löffel aus Buchsbaum angefüllt. Auch wirkliche Haarspalterei ward hier getrieben.
Das Haar von einem kleinen Knaben war « zum öfteren durchlöchert, und mit denen
zu beeden Enden in 4. Theil gespaltenen Haartheilen hindurch gefahren, ja gar ein
dergleichen Haar in 8 Theile zertheilet auf einem schwarzen Papier mit der Anschau-
enden grössten Bewunderung zu sehen. »* 2)
x) Die Dreifaltigkeitsringe sollen von einem Jesuiten Scherer in Ingolstadt erfunden worden sein.
Sie bestanden ursprünglich aus einem einzigen Draht, der mit den nötigen Umschlingungen dreimal im
Kreise herumgeführt wurde und dessen Enden akkurat zusammengelötet waren. Es war das nicht genau
das gleiche, wie die gedrechselten Dreifaltigkeitsringe, die aus drei umeinander geschlungenen, von ein-
ander getrennten, aber aus einem Stück Elfenbein herausgearbeiteten Ringen bestanden.
2) Natürlich haben sich schon damals manche Leute gefragt, welchen Wert denn die Herstellung