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Noack, Ferdinand
Ovalhaus und Palast in Kreta: ein Beitrag zur Frühgeschichte des Hauses — Leipzig, Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.902#0042
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36 4- Der Einfluß kretischer Baukunst

Was früher aus einem, den Umständen nach begrenzten
Materiale über dieses Verhältnis erschlossen werden konnte,
finde ich in den Hauptsachen heute bestätigt, und ich darf,
was ich damals nur bedingt aussprechen mochte, jetzt teils
ohne Einschränkung wiederholen, teils mit einem viel reicheren
Materiale, aber in gleichem Sinne, ergänzen.
Die kretische jjie Frage, wie die Säule in dieser frühgriechischen Bau-

kunst der „mykenischen" Paläste aufgekommen sei, habe ich
mir seit langem, entgegen früheren Bedenken (H. P. 26), zu
Gunsten Kretas beantwortet.32) Die Säule als freistehender
Träger des Gebälkes stammt — für Griechenland •— aus den
kretischen Hallen, sie ist (mitsamt ihrer Kunstform, H. P. 94
Anm. 19) dank dem Einflüsse kretischer Kultur nach dem
Festlande gekommen.33) Aber sie ist dort auch nur als ein
neues „einzelnes (konstruktives) Element aufgenommen worden
und hat die Entwicklung nicht aus der lange festgelegten
Bahn geworfen." Ihr sind keine kretischen Säle und Licht-
höfe gefolgt, dem Propylon hat sie nicht die zweigeteilte Front
gebracht. „Im Gegenteil hat auch sie sich den Verhältnissen
gefügt, die durch den vorhandenen Haustypus gegeben waren."
Schon im Palasthof von Mykenä hat man auf sie verzichtet,
und die Megara von Arne34) und Phylakopi und der kleinere
Saal in Tiryns selbst reden deutlich von dem Widerstände,
dem ihre Aufnahme auch in der Vorhalle des Hauses be-
gegnet ist Überhaupt hat ja der kretische Einfluß bei all seiner
kulturellen und künstlerischen Überlegenheit die Macht dieses
alten Einzelhauses nicht überwinden können, — diese zähe
Macht, die es nicht zu einer organischen Weiterbildung der
alten Elemente kommen läßt, sondern die gesteigerten Raum-
ansprüche einer neuen Zeit durch äußerliche Addition der

32) Muß man darum einen ideellen Zusammenhang zwischen den einzelnen
Hallen des tirynther Hofes und den alttroischen Hofnischen (Jahrb. XI 218 f.
Dörpfeld, Troia und Ilion 84) völlig aufgeben?

33) So auch Springer-Michaelis8 a. a. O. 93.

34) Furtwängler hat in seiner, leider Fragment gebliebenen „Einführung in
die griechische Kunst" (Deutsche Rundschau 1908, 257) die zweischiffigen
langen Hallenbauten auf der „Agora" von Arne (Jahrb. XI, 220, Anm., H. P.
21. 78) in einen Zusammenhang mit einem „Haustypus" gebracht, in den sie
strenggenommen nicht gehören.
 
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