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Noack, Ferdinand
Ovalhaus und Palast in Kreta: ein Beitrag zur Frühgeschichte des Hauses — Leipzig, Berlin, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.902#0057
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Ovalhaus und Palast.

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Pfeilersaal.

5-
Die kretischen Palastanlagen sind uns nun doch nicht
mehr nur das Bild „eines wahren Labyrinths" oder ein „schwer
übersehbares Gewirre von Zimmern, Gängen, Magazinen
Treppen."58). Wichtige Grundsätze, die bei der Planlegung ge-
waltet haben, sind aufgedeckt und anerkannt. Sie lassen uns
auch einzelne Raumformen richtiger verstehen. Den großen,
langgestreckten Binnenhof umschließt allseitig das Gebäude.
Dessen Disposition bestimmen die großen Achsen, die sich
ihrerseits nach der Grundform des Hofes richten. Daß dabei
einzelne Quartiere einen verhältnismäßig selbständigen Ausbau
erfahren konnten, hat Bulle (Orchomenos 7 6 f.) gezeigt. Dörp- _ Der
feld hat eine typische Raumform dieser Paläste, den Pfeiler-
saal mit seinen nach außen von Vorhallen geschützten, in
Pfeilerstellungen aufgelösten Wänden herausgeschält und auf
ein ursprüngliches, peripterales Einzelhaus zurückgeführt, das
im heißen Süden seine Heimat hatte (A. M. 05, 273fr Bulle,
Orchomenos 52). Aber dieses Einzelhaus könnte nicht in dem
Sinne, wie das Megaron, als Urform und Kern einer späteren
vielräumigen Hausanlage verstanden werden. Noch weniger
als jenes enthält es die Möglichkeiten einer Weiterbildung
und Gliederung aus sich selbst heraus. Es ist auch in dem
großen Komplex der Paläste eine nicht weiter entwicklungs-
fähige Einzelzelle geblieben. Es steht an keinem dominie-
renden, die Grundzüge des Ganzen bestimmenden Punkte des
Palastes. Als ein günstiges und beliebtes, äußerst anpassungs-
fähiges Einzelmotiv war es bald mit einer, bald mit zwei und
einmal auch drei Pfeilerseiten, in den verschiedensten Dimen-
sionen und an den verschiedensten Stellen, eingefügt, und
zwar nicht etwa nur an der Peripherie, um auf luftige Höfe
und Altane hinauszuführen, sondern auch allseitig eingeschlossen
im Innern des Palastes. Daß es wirklich einmal selbständig
gewesen war, wird durch einen Umstand noch besonders ein-
leuchtend: bei den größeren Pfeilersälen59) werden Pfeiler-
stellung und Vorhalle auch auf der Seite beibehalten, die sich

58) S. Müller, Urgeschichte Europas 1905, 69. Springer-Michaelis, Handb.8, 86.

59) Knossos: Pfeilersaal. Phaistos 77/78. H. Triada 7/8.

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