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Oelmann, Franz
Die Keramik des Kastells Niederbieber — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 1: Frankfurt a. M., 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.42906#0086
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stücke liegen etwa zehn Stück vor, auf mehreren größeren sind auch Reste von aufgekneteten
Augen und Brauen mit Kerbung erhalten. Der Typenzeichnung (Abb. 56) diente ein voll-
ständiges Exemplar gleicher Technik in Bonn (Prov.-Mus., alter Bestand) als Vorlage.
Eine im wesentlichen gleichartige Rand-
bildung weist schon eine rauhwandige Gesichts-
urne claudischer Zeit in Hofheim auf (Hofheim
Typus 81 B). Anderer, älabarbotine aufgetragener
Reliefschmuck, der damals bei Urnen dieser 'Art
sehr beliebt ist (Hofheim Typus 81 A und 82),
scheint seit dem II. Jahrhundert nicht mehr
vorzukommen. Auch eine Bereicherung des
Gesichtsschmuckes durch aufgeknetete Phallen,
wie sie im I. Jahrhundert üblich ist (Hofheim
Typus 81 B und 83), ließ sich in Niederbieber
nicht mehr beobachten.
Typus 91. Doppel henklige
Gesichtsurne mit hohem Hals und
Rundstablippe.
Die breiten Bandhenkel sind in der Mitte
ein wenig eingedrückt, und die Gefäßwand zeigt
zwischen dem oberen und unteren Ansatz des
Henkels eine kräftige Einbeulung, um die Hand-
lichkeit zu erhöhen. Vier Henkel dieser Art, alle dreistabig, sind erhalten (E 1263, Abb. 57
Fig. 2, E 1356, E J757, E 2036), ferner Randfragmente von etwa fünf Exemplaren (Abb. 54
Fig. 5 und 6). Das größte (E 2003)zeigt noch wohlerhaltenen Gesichtsschmuck nach Art des
Typus 90 (Abb. 57 Fig. 1). Die Ergänzung ermöglicht eine vollständige Gesichtsurne gleicher
Technik in Bingen (abgeb. Altert, uns. heidn. Vorzeit V Taf. 59 Nr. 1082).
Die Sitte, die Wand hinter
dem Henkel einzudellen, ist bei
glattwandigen, meist bronzierten
Henkeltöpfen in Rätien sehr ge-
wöhnlich, vgl. Drexel ORL Nr.
66 c Faimingen S. 92 f., wo auch
analoge Stücke aus dem Tessintal
erwähnt sind. In Germanien
findet sich die Eigentümlichkeit
m. W. nur bei Gefäßen mit auf-
gelegtem Reliefschmuck, so z. B.
an einer doppelhenkligen Gesichtsurne des I. Jahrhunderts aus Andernach (Bonn, Prov.-Mus.
1547, abgeb. Bonn. Jahrbb. 86 Taf. VI Fig. 12), an einhenkligen Gesichtsbechern aus Mainz
und Umgegend (Beim, Röm. Keramik Nr. 1447 ff., Schumacher, Altert, uns. heidn. Vorzeit
V S. 342 ff.), daneben aber auch an Schuppenbechern, z. B. in Straßburg (Inv. 6119, Drexel a.
a. O. S. 93) und Rheinzabern (Ludowici IV S. 238 P 161). In ihrer Gesamtform ist die hoch-
halsige Gesichtsurne aus Niederbieber ersichtlich abhängig von den gefirnißten Bechertypen 32
und 33 und damit vor der zweiten Hälfte des II. Jahrhunderts nicht denkbar. Sie ist der
jüngere Typus der rauhwandigen Gesichtsurne, der bis ins IV. Jahrhundert fortlebt. Ein Stück
wie das aus Mastershausen im Hunsrück (Bonn Prov.-Mus. 12 300, abgeb. Altert, uns. heidn.
*) Da solche Schuppenbecher ins II. Jahrhundert kaum noch hineinreichen, so kann Ludowicis Angabe, der
Becher sei in Grab 382 zusammen mit einer Sigillata-Bilderschüssel des Comitialis gefunden, nicht unbedingt richtig
sein. Wahrscheinlich wird ein älteres Grab durch ein späteres gestört sein.



Abb. 56 (1:4).
 
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