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Osthaus, Karl Ernst
Grundzüge der Stilentwicklung — Hagen i. W.: Hagener Verl.-Anst., 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.45044#0019
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dies. Nie leitet er eine Straßenzeile in gerader Achse auf die Fassade hin, die
meisten Feststraßen umziehen drei Seiten des Tempels, ehe sie den Eingang
erreichen. In den Städten, auch den angelegten wie Selinus und Priene, stehen
die Tempel seitlich der Straßen auf Plätzen, sodaß wir sie zuerst in einer Ede-
ansicht erblichen. Das unterscheidet sie, wie wir sehen werden, grundsätzlich
von den Tempelanlagen einer späteren Zeit.
Soll man die Menschen noch schildern? Ihr Schmuck ist die frei den Körper
umfließende Falte, nicht mehr der weitgebreitete Kopfputz ägyptischer Zeit.
Eine Begegnung würde uns lehren, daß dem Blicke, der hinter die Dinge sieht,
auch die Überwindung der ornamentalen Geste gelang. Verlangten Aegypten
und der Orient ein streng frontales Gegenüber von Mensdi zu Mensch, so ent-
faltete in Hellas das befreite Körpergefühl den vollen Reichtum dreidimen-
sionaler Bewegung. Die Dreizahl der Chariten mutet uns an wie ein Symbol dieses
neugeschaffenen Verhältnisses von Mensch zu Mensch.

Drei attische Vasen aus dem 5.** 3. Jahrhundert v. Chr.
Hagen, Museum Fclkwang.



Alexandrien, Rom, Byzanz.
Die Kunstgelehrsamkeit ist den Weg vom Parthenon zur Sophienkirche
bisher nicht mit Lust gewandert. Es lagen zu viele Verschüttungen unterwegs.
In Alexandrien haben die Ausgrabungen kaum begonnen, und Antiochien und
Seleukia liegen noch unter der Erde. Die beiden Bauwerke aber, die wir nannten,
lassen Anfang und Ziel der Entwicklung deutlich erkennen. In ihnen stehen sich
die Programmwerke zweier Epochen gegenüber. Die Wandlung ist Aufbau und
Verfall zugleich. Man hat, wie es uns scheinen will, die Symptome des letzteren
bisher zu einseitig betont.

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