DRITTER TEIL: DIE BILDSCHNITZER
154
Hennings Urheberschaft gefunden wurden (243). Desgleichen eine Gruppe henningscher Früh-
werke: der Altar inRytterne, der hl. Hieronymus in Vadstena, die Statuette in Borg (244). Die
zweite der beglaubigten Arbeiten, die Lübecker St. Jürgen-Gruppe von 1304/0$, wurde als eine
freie Nachbildung der notkeschen Stockholmer Gruppe erkannt, sobald sich herausstellte, daß
ihr jetziger Drache ein Ersatzstück aus der Renaissancezeit ist, der ursprüngliche Drache aber dem
Stockholmer ähnlich rekonstruiert werden muß (243). Andere Schöpfungen Hennings, wie die
beiden Johannes-Figuren in Roskilde und Lübeck, werden noch heute von einigen Forschern
für Arbeiten Notkes gehalten (vgl. oben).
Auf Grund dieser Meinungen und Beobachtungen wurde und wird Henning einmütig als Nach-
folger oder gar Schüler Notkes bezeichnet; er habe wahrscheinlich an Notkes Meisterwerk, der
Stockholmer St. Jürgen-Gruppe, mitgearbeitet. So urteilten Roosval und Heise (246).
Daß Henning an der Stockholmer Gruppe beteiligt war, glaube ich inzwischen widerlegt zu haben,
indem ich die fraglichen Teile der Gruppe als Arbeiten anderer Notke-Gehilfen nachwies (vgl.
S. 131 und 140 ff.), und indem ich auf die Urkunde hinwies, derzufolge Henning im Jahre 148*7,
also während der Arbeit am Stockholmer St. Jürgen, nicht in Stockholm weilte, sondern in Lübeck
(vgl. S. 147) (247). Dadurch wurde aber nur ein einziger von den vielen Beweisgründen entkräftet,
die für Hennings Abhängigkeit von Notke geltend gemacht worden sind. Diese Abhängigkeit
muß also trotzdem auch weiterhin als eine grundlegend wichtige Tatsache anerkannt werden, das
glaube ich nach wie vor und das möchte ich nun noch genauer begründen.
Schon in der Wahl seiner Lieblingsthemen und Bildvorstellungen wurde Henning offenbar durch
das große Vorbild der notkeschen Kunst bestimmt.
Bereits dadurch, daß er als einziger unter seinen vielen lübeckischen Künstletgenossen es wagte,
Notkes kühnes Motiv einer frei im Raume entwickelten, dramatisch bewegten, monumentalen
St. Jürgen-Gruppe aufzugreifen, erweist er sich ganz unmißverständlich als der wahre geistige
Erbe Notkes.
Von Notke übernahm er auch die Neigung, das St. Jürgen-Thema immer und immer wieder zu
behandeln und abzuwandeln; von Notke sind fünf St. Jürgen-Darstellungen bekannt (eine zu
Roß, vier zu Fuß, darunter zwei silberne Statuetten-Reliquiare), von Henning ebenfalls fünf (drei
243) Schäfer, Führer durch das Museum 191$.
244) Lindblom, N. s. o. m. i. S. 1916, 14 und Birgitta-Utställningen 1918, 3 $f.
245) Roosval, N. S. G. S. 1924, 70.
246) Roosval, a. a. O. und Konsth. Tidskr. 1936, 14; Heise, L. PI. 1926, 11 und N. d. Biogr. 1933, 326;
Paatz, Lüb. Bl. 1926, 334 und Fornv. 1929, 160.
24?) Wenig später scheint Henning freilich in Skandinavien gewesen zu sein. Sein bald nach 1490 ent-
standener Kruzifix aus Vaeroy besteht nicht aus Eiche, sondern aus Birkenholz. Dieses weiche Holz war
nicht bei den Lübecker Schnitzern gebräuchlich, die fast ausschließlich die harte Eiche verwendeten, son-
dern in den skandinavischen Schnitzerwerkstätten. Wenn Henning es also verwendete, was feststeht, so
kann er dazu eigentlich nur in Skandinavien selbst angeregt worden sein. Vielleicht ist es kein Zufall, daß
er so viele Arbeiten für Schweden und insbesondere für die Stockholmer Gegend geschaffen hat (Kruzifix
in der Storkyrka, Norrby, Tyresö, Rytterne), und daß seine Lübecker St. Jürgen-Komposition dann in Finn-
land so besonders oft nachgebildet wurde. Möglicherweise war er selbst einmal oder öfter in Stockholm
und in Finnland. Für eine finnische Kirche hatte ja auch sein Generationsgenosse, der Imperialissima-Meister,
Birkenholzskulpturen geschaffen (die Statuetten aus Vezilaks und Ackas im Museum zu Helsinki).
Henning hat dasselbe Holz auch in seiner späten Schaffensperiode noch einmal verwendet: für die Johannes-
Schüssel aus Norrby in Stockholm. Auch für seine Berliner Täuferfigur wählte er nicht Eiche, sondern
ein Weichholz. In seiner Technik Heß sich Henning also hin und wieder von skandinavischem Brauch
anregen.
154
Hennings Urheberschaft gefunden wurden (243). Desgleichen eine Gruppe henningscher Früh-
werke: der Altar inRytterne, der hl. Hieronymus in Vadstena, die Statuette in Borg (244). Die
zweite der beglaubigten Arbeiten, die Lübecker St. Jürgen-Gruppe von 1304/0$, wurde als eine
freie Nachbildung der notkeschen Stockholmer Gruppe erkannt, sobald sich herausstellte, daß
ihr jetziger Drache ein Ersatzstück aus der Renaissancezeit ist, der ursprüngliche Drache aber dem
Stockholmer ähnlich rekonstruiert werden muß (243). Andere Schöpfungen Hennings, wie die
beiden Johannes-Figuren in Roskilde und Lübeck, werden noch heute von einigen Forschern
für Arbeiten Notkes gehalten (vgl. oben).
Auf Grund dieser Meinungen und Beobachtungen wurde und wird Henning einmütig als Nach-
folger oder gar Schüler Notkes bezeichnet; er habe wahrscheinlich an Notkes Meisterwerk, der
Stockholmer St. Jürgen-Gruppe, mitgearbeitet. So urteilten Roosval und Heise (246).
Daß Henning an der Stockholmer Gruppe beteiligt war, glaube ich inzwischen widerlegt zu haben,
indem ich die fraglichen Teile der Gruppe als Arbeiten anderer Notke-Gehilfen nachwies (vgl.
S. 131 und 140 ff.), und indem ich auf die Urkunde hinwies, derzufolge Henning im Jahre 148*7,
also während der Arbeit am Stockholmer St. Jürgen, nicht in Stockholm weilte, sondern in Lübeck
(vgl. S. 147) (247). Dadurch wurde aber nur ein einziger von den vielen Beweisgründen entkräftet,
die für Hennings Abhängigkeit von Notke geltend gemacht worden sind. Diese Abhängigkeit
muß also trotzdem auch weiterhin als eine grundlegend wichtige Tatsache anerkannt werden, das
glaube ich nach wie vor und das möchte ich nun noch genauer begründen.
Schon in der Wahl seiner Lieblingsthemen und Bildvorstellungen wurde Henning offenbar durch
das große Vorbild der notkeschen Kunst bestimmt.
Bereits dadurch, daß er als einziger unter seinen vielen lübeckischen Künstletgenossen es wagte,
Notkes kühnes Motiv einer frei im Raume entwickelten, dramatisch bewegten, monumentalen
St. Jürgen-Gruppe aufzugreifen, erweist er sich ganz unmißverständlich als der wahre geistige
Erbe Notkes.
Von Notke übernahm er auch die Neigung, das St. Jürgen-Thema immer und immer wieder zu
behandeln und abzuwandeln; von Notke sind fünf St. Jürgen-Darstellungen bekannt (eine zu
Roß, vier zu Fuß, darunter zwei silberne Statuetten-Reliquiare), von Henning ebenfalls fünf (drei
243) Schäfer, Führer durch das Museum 191$.
244) Lindblom, N. s. o. m. i. S. 1916, 14 und Birgitta-Utställningen 1918, 3 $f.
245) Roosval, N. S. G. S. 1924, 70.
246) Roosval, a. a. O. und Konsth. Tidskr. 1936, 14; Heise, L. PI. 1926, 11 und N. d. Biogr. 1933, 326;
Paatz, Lüb. Bl. 1926, 334 und Fornv. 1929, 160.
24?) Wenig später scheint Henning freilich in Skandinavien gewesen zu sein. Sein bald nach 1490 ent-
standener Kruzifix aus Vaeroy besteht nicht aus Eiche, sondern aus Birkenholz. Dieses weiche Holz war
nicht bei den Lübecker Schnitzern gebräuchlich, die fast ausschließlich die harte Eiche verwendeten, son-
dern in den skandinavischen Schnitzerwerkstätten. Wenn Henning es also verwendete, was feststeht, so
kann er dazu eigentlich nur in Skandinavien selbst angeregt worden sein. Vielleicht ist es kein Zufall, daß
er so viele Arbeiten für Schweden und insbesondere für die Stockholmer Gegend geschaffen hat (Kruzifix
in der Storkyrka, Norrby, Tyresö, Rytterne), und daß seine Lübecker St. Jürgen-Komposition dann in Finn-
land so besonders oft nachgebildet wurde. Möglicherweise war er selbst einmal oder öfter in Stockholm
und in Finnland. Für eine finnische Kirche hatte ja auch sein Generationsgenosse, der Imperialissima-Meister,
Birkenholzskulpturen geschaffen (die Statuetten aus Vezilaks und Ackas im Museum zu Helsinki).
Henning hat dasselbe Holz auch in seiner späten Schaffensperiode noch einmal verwendet: für die Johannes-
Schüssel aus Norrby in Stockholm. Auch für seine Berliner Täuferfigur wählte er nicht Eiche, sondern
ein Weichholz. In seiner Technik Heß sich Henning also hin und wieder von skandinavischem Brauch
anregen.