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gischen Zyklus. Da auf dem gemalten Flügel die Rosenkranz-Madonna den Ehrenplatz innehat, dürfte
der Altaraufsatz, von dem der Flügel und das Relief Überbleibsel sind, ursprünglich den Altar der 1303
in St. Jakobi nachweisbaren Brüderschaft zum Rosenkranz geschmückt haben (Inv., 1920, 363). Der aus-
einandergerissene und großenteils zerstörte Altaraufsatz wird ein Diptychon gewesen sein: im Schrein das
Relief der Marienkrönung unter einem hohen Baldachin, am Schrein ein beiderseitig bemalter Flügel
1889/90, 19; Zw., 1920, 361 ff). Nach der Reformation wurde das Diptychon vielleicht von
seinem ursprünglichen Platz entfernt und an anderer Stelle in der Kirche angebracht, und zwar wahrschein-
lich an der Westseite des dritten nördlichen Mittelschifspfeilers (von Osten gerechnet), denn dort sah
J. v. Melle „auf einer Altartafel eine Krönung Mariae" (Gründliche Nachricht von der... Stadt Lübeck, 1787,
200). Dieser Marienkrönungs-Altar kommt mehr für die Identifizierung unseres Diptychons in Frage als
die bei v. Melle a. a. O., S. 196, in der Warendorpkapelle erwähnte „schön geschnitzte und stark vergoldete
Altartafel", die (1889/90) heranzog. - Im 19. Jahrhundert kamen die Überbleibsel des Dipty-
chons erst in die Altertümersammlung auf dem Chor der Katharinenkirche und dann ins Dom-Museum;
später gelangten sie ins St. Annen-Museum.
ABB. 15$, 198.
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LÜBECK, ST. ÄNNEN-MUSEUM.
RETABEL DER FRONLEICHNAMSBRUDERSCHAFT aus der Burgkirche. Doppeltriptychon aus
Eichenholz, Schrein und Innenseite des inneren Flügelpaares reliefert, Außenseite des inneren Flügel-
paares und beide Seiten des äußeren Flügelpaares gemalt. Zugehörig ursprünglich noch ein drittes Flügel-
paar, das links und rechts vom Altar befestigt war und wahrscheinlich seine gemalte Vorderseite zeigte,
wenn die beiden anderen Flügelpaare über dem Schrein zusammengeklappt wurden (wie an Notkes Hoch-
altar im Aarhuser Dom!); von den beiden Flügeln dieses Paares ist nur einer erhalten.
MASSE. Mittelschrein h 218 cm, b 134 cm. Predella h 80 cm, b 271 cm. Breite des Altars bei geöffneten
Flügeln 249 cm. - Gesonderter Flügel h 231 cm, (bekrönende Kreuzblumen eingeschlossen) b 66,3 cm.
GESCHICHTE. Das Retabel wurde 1496 im Auftrag der Fronleichnams-Bruderschaft für die Lübecker Burg-
kirche geschaffen. Die Jahreszahl steht am rechten inneren Flügel eingeschnitzt. Außerdem war sie ursprüng-
lich noch einmal an der Kreuzblumenkrönung wiederholt; dort stand folgende Inschrift: „Expensis et dona-
cione spectabilium honorabiliumque dominorum ac civium fratrum fraternitatis corporis Christi facta est
hoc huius tabula anno Domini MCCCCXCVI (J. v. Melle, Lubeca Religiosa, Stadtbibliothek Lübeck, Ms.
Lub. 2°, 83, S. 303; Inv., 1926, 196K). Für das Werk bezahlt wurde von der Bruderschaft in den Jahren
1496 und 1497 Henning von der Heide (Urkunden veröffentlicht von Bruns im Inventar 1926, 196K).
Das Retabel schmückte in der Lübecker Burgkirche den Altar des Evangelisten Johannes, an dem die Hl.
Leichnams-Bruderschaft die Messe hörte; Altar und Retabel standen am ersten südlichen Langhauspfeiler
der Kirche (vom Chor aus gerechnet); das Retabel wurde dort noch von J. v. Melle gesehen (Lubeca
Religiosa, Stadtbibliothek Lübeck, Ms. Lub. 2°, 492, S. 439 und Ms. Lub. 2°, 83, S. 303; vgl. auch Gold-
schmidt, 18899/0, 19 und Inv., 1926, 196K). Nach dem Abbruch der Burgkirche (1819) kam das Retabel
zuerst in die Altertümersammlung auf dem Chor der Katharinenkirche, dann ins Dom-Museum und schließ-
lich ins St. Annen-Museum.
PROGRAMM. Das sehr durchdachte Programm, das an dem Retabel in vielen Reliefs und Gemälden dar-
gestellt wurde, bringt vier verschieden reich entwickelte Themata, die die besonderen Eigenschaften des
zu schmückenden Altares künstlerisch veranschaulichen. Das erste Hauptthema nimmt darauf Bezug, daß
es sich um den Altar der Heiligen-Leichnams-Bruderschaft und um eine Stiftung dieser Bruderschaft
handelt; es lautet „Fronleichnam" und bringt im Mittelschrein, in der Predella und auf beiden Seiten des
inneren Flügelpaares typologische Parallelen zum Meßopfermahl, in dem Christi Leib genossen wird: d. h.
sechs geschnitzte und vier gemalte Darstellungen von Opfermählern aus dem Alten Testament, dem Neuen
Testament, der Kirchengeschichte und dem zeitgenössischen Kirchenbrauch. Das zweite Thema bezieht
sich auf den Schutzheiligen des Altars, den Evangelisten Johannes, und stellt an beiden Seiten des äußeren
Flügelpaares diesen Heiligen und vier Szenen aus seiner Legende sowie Christus dar. An dem zusätzlichen
dritten Flügelpaar waren zwei Nebenthemata angedeutet: die Namenspatronin der Kirche, in der der Altar
 
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