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IN POGGFRED

(SCHLUSS)

Hör auf mit deinem Gram zu spielen,

Der wie ein Geier dir am Leben frisst;

Die schlechteste Gesellschaft lässt dich fühlen,

Dass du ein Mensch mit Menschen bist.

Goethe

Nur ein paar Blätter aus dem Lebenstanze,
Aus meinem Wirbelsturme fing ich ein,
Nur ein paar Blüthen aus dem Schicksalskranze,
Aus meinem Kranze, legt' ich Reih zu Reihn,
Schob zu Terzine sie zurecht und Stanze,
Vielleicht nur eines Jahres Lust und Pein.

Erinnrung, Traum und Phantasie, drei Schemen,

Beglänzten sie mit ihren Diademen.

Zwar: was ist Schicksal? Jedes Erdenleben!
Und wenns so nichtig ist und inhaltlos,
Wie meines war, wozu erst Verse weben?
Ich finde das wahrhaftig selbst kurios.
Der Eintagsfliege Auf- und Niederschweben,
Das nennt der Mensch «Schicksal» und thut sich gross.
Doch alle Deutschen, wie bekannt, sind Dichter,
Darum erlaubt auch mir den alten Trichter.

So schrieb ich denn getrost drauf los, Hurra,
Was mir der Tag, was mir die Stunde schenkte,
Bald sang mein Herz falleri fallerallerallera,
Bald, wenn die Seele sich auf Halbmast senkte,
Trug ich der Trauer schwarze Tunica,
Bis wieder mein Humor die Mütze schwenkte.
Auf a - a - a reimt sich auch Altona,
Der Sinn für Kunst ist nicht weither «allda.»

Was ist auch Kunst? Wem giebt die Kunst Genuss?
Wer hat für grosse Kunst den grossen Sinn?
Das «Volk» ? Vom König bis zum Rustikus
Taxiert sie fast ein jeder auf Gewinn,
Gewinn an nützlichem Gedankenfluss!
Nur wenigen ist sie die Priesterin.

Die Kunst dem Volke! sollt die Bahn ihr brechen!

Die Kunst den Künstlern! hör' ich widersprechen.

Das alte Streiten! Und es wird erst enden,
Wenn einst der letzte Mensch auf Erden stirbt.
Drum will ich schleunigst mich zu anderm wenden,
Das minder mir den Appetit verdirbt.
Professor WolfF mag euch Aesthetik spenden,
Der löst die Frage, wenn er sie umwirbt.

Er spinnt euch mit der Meisterschaft der Schule
Die schönsten Paragraphen von der Spule.

Freiheit der Kunst! Freiheit der Kunst vor allen!
Frei sei sie wie der Cowboy im Far-West!
Lasst euch den grässlichen Vergleich gefallen;
Wenn nicht, dann hol euch allesammt die Pest!
An Bucking-Bronchos und Revolverknallen
Denk' ich, an Lynchen und Banditenfest,

An Lasso, Pferdediebstahl und Prairie!

Freiheit! Da lebst du, echte Poesie.

«Der Kunst die Freiheit» und «die Cowboysippe»?
No, Sir: das geht selbst mir zu weit fürwahr!

0 tertium comparationis-Klippe,
Ich scheiterte an dir, ein Vershusar,

Der sich schon hundertmal brach jede Rippe
Im Rennen mit der edeln Richters chaar.
Doch immer steh' ich noch auf beiden Beinen,
Und lache, und die Professoren weinen.

Satis superque! «Lieblich lacht der Lenz,»
Der alte Wintersmann zog ab nach Norden
Und hat beim Kimmernkönig Pol Audienz,
Der schenkt ihm seinen Stern zum Robbenorden.
Dann trinkt er Thran und zwar in Permanenz,
Bis endlich Thules Kaiser er geworden.
Der Frühling, dieser liebenswürdige Junge,
Zeigt hinterher ihm seine Zwitscherzunge.

Der Buchfink trillert herrisch seine Liebe,

Die Nachbarn tauschen Gartenwunsch- und -gruss,

Bettzeug und Teppich kriegen draussen Hiebe,

01 Vadder Hansen sünnt sick all vör't Hus,
Die rothe Tulpe prunkt im Beetgetriebe,
Der Lyrifex besteigt den Pegasus.

Die Schwalbe jagt die Gassen auf und ab,
Der Tod versteckt sich in ein leeres Grab.

C 64 B
 
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